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Protest gegen Haft für Antifaschisten

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Protest gegen Haft für Antifaschisten

Von Alfred Denzinger – Pforzheim. 60 AntifaschistInnen versammelten sich am Samstag, 20. Mai, unweit des Pforzheimer Bahnhofs zu einer Kundgebung. Sie thematisierten ein hartes Urteil des Amtsgerichts gegen drei Antifaschisten aus Stuttgart. Sie waren am vergangenen Dienstag wegen einer Auseinandersetzung mit lokalen Neonazis zu Haftstrafen zwischen 16 und 20 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.

Die Kundgebung sollte ursprünglich auf dem Leopoldplatz stattfinden. Das Ordnungsamt verlegte sie aus Sicherheitsgründen auf einen Platz zwischen Bahnhof und Leopoldplatz. In der Fußgängerzone neben dem Leopoldplatz gab es einen AfD-Infostand, der wohl aus Sicht der Behörde geschützt werden musste. Dieser Infostand wurde jedoch von einigen AntifaschistInnen durch lautstarken Protest heftig gestört. Die AfD entschloss sich daraufhin, ihren Infostand innerhalb kurzer Zeit abzubauen.

Rund um den Versammlungsplatz der AntifaschistInnen zeigte die Polizei starke Präsenz – auch in Zivil.

Die PassantInnen wurden durch Redebeiträge – unter anderem der Roten Hilfe und des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) – und Flyer informiert. In der Pforzheimer Innenstadt wurden mehrere Transparente aufgehängt.

Am Ende der Kundgebung startete eine Spontandemonstration in Richtung Bahnhof. Diese Aktion missfiel offenbar der polizeilichen Einsatzleitung. Sie stoppte den Zug nach wenigen Metern kurzzeitig. Es kam zu einem kurzen Scharmützel. Schließlich setzten die DemonstrantInnen unter lautstarkem Polizeiprotest ihren etwa hundert Meter langen Weg zum Bahnhof fort.

Hintergrundinfos

Zu Hochzeiten der Pegida-Bewegung gab es in Karlsruhe wöchentliche Aufmärsche des lokalen Ablegers „Kargida“. Von Beginn an waren die Aufmärsche von der lokalen Neonaziszene dominiert. Auch aus Pforzheim beteiligten sich regelmäßig Anhänger der Kleinstpartei „Die Rechte – Enzkreis“.

Am 10. März 2015 kam es bei einer gemeinsamen Zuganreise von NazigegnerInnen aus Stuttgart zu einer Auseinandersetzung zwischen Antifaschisten und Pforzheimer Neonazis. Letztere stellten später Strafanzeige gegen ihnen bekannte Antifaschisten. Auf Basis der von den Angeklagten als widersprüchlich und willkürlich bewerteten Aussagen der rechten Nebenkläger verurteilte das Pforzheimer Amtsgericht die drei Antifaschisten.

Dabei hätten weder die Vielzahl an Zeugen noch andere Beweise die Angeklagten eindeutig belastet, heißt es im Aufruf des AABS zu der Kundgebung. „In Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklungen ist das Urteil ein Skandal. Während bundesweit Geflüchtetenunterkünfte brennen und die Zahl der rechten Übergriffe ansteigt, werden die kriminalisiert, die sich dieser Entwicklung entgegenstellen“, erklärt Carolin Langer für das Aktionsbündnis.

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Abschiebungen nach Afghanistan müssen aufhören

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Abschiebungen nach Afghanistan müssen aufhören

Von Meide Wolt – Stuttgart. Auf dem Rotebühlplatz in Stuttgart gab es am Donnerstag, 22. Juni, eine Kundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Für den 28. Juni wurde mit der nächsten Sammelabschiebung aus Deutschland gerechnet. Sie soll nach jüngsten Medienberichten inzwischen ausgesetzt sein – allerdings keinesfalls aus prinzipiellen Erwägungen, sondern weil sich die deutsche Botschaft in Kabul nicht in der Lage sieht, die Ankunft der Abgeschobenen abzuwickeln. 

Mohammad Faisal Aleefi

Eröffnet wurde die Kundgebung, zu der 130 Menschen gekommen waren, mit einer Rede des Offenen Treffens gegen Krieg und Millitarisierung. Dessen Sprecherin sagte: „Als drittgrößte Streitmacht ist Deutschland seit 2001 in Afghanistan stationiert. Zudem ist die Bundesrepublik der wichtigste Waffenlieferant für die installierte afghanische Regierung. Um den Einfluss der BRD im mittleren Osten zu festigen, werden Entwicklungshilfe und deutsche Unternehmen eingesetzt, die vor Ort gezielt zusammenarbeiten. So werden durch die Entwicklungshilfen Aufträge für deutsche Unternehmen beschafft, und diese erschließen sich so neue Absatzmärkte für Kühlsystem, Telekommunikation und Fahrzeuge. Derzeit sind 60 Firmen aus Deutschland in Afghanistan vertreten und machen Millionengewinne.“

Mohammad Faisal Aleefi von „Jugendliche ohne Grenzen“ sagte in seiner Rede in Farsi und Deutsch: „Gerade die Situation in Deutschland ist so, dass viele tausende Menschen in Angst leben. Nicht nur die Afghanen, die Angst haben vor Abschiebung, aber auch viele andere Menschen von anderen Ländern, wo es auch keine Sicherheit gibt.“ Außerdem beklagte er, „dass die Schutzsuchenden von den Behörden unterschiedlich behandelt werden. Das führt zu einer großen Frustration und Stress.“

Rex Osa

Flüchtlings-Aktivist Rex Osa nannte Abschiebungen eine „koloniale Tradition“. „Der Krieg aus verschiedenen Teilen der Welt kommt jetzt hier an“, verdeutlichte er. Den deutschen Behörden warf er vor: „Sie kategorisieren Geflüchtete und entscheiden, wer bleiben darf und wer gehen muss.“ An die PassantInnen auf dem Rotebühlplatz gerichtet sagte er: „Ich bin ein Weltbürger. Der Wohlstand in Deutschland zeigt nur die Intelligenz, andere Länder auszurauben. Hören Sie auf einkaufen zu gehen und schließen Sie sich dem Kampf der Geflüchteten an“.

Ein Sprecher der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend erklärte: „Es wird deutlich, dass die Diskussion um die sicheren Herkunftsstaaten nichts mit Sicherheit zu tun hat, sondern lediglich eine weitere Aushöhlung des Asylrechts darstellt. Ziel ist es dabei, möglichst viele Menschen möglichst schnell wieder in ihre Heimatländer abzuschieben, die erst vorher von den imperialistischen Mächten aufgrund geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen systematisch zerstört worden sind und für die selbst das Auswärtige Amt aufgrund der hohen Gefahrenlage Reisewarnungen ausgibt“.

iLaz61

Eine Sprecherin des Arbeitskreises Internationalismus Stuttgart führte aus: „Durch Aufrüstung, den Ausbau der Bundeswehr und Interventionen im Ausland will Deutschland die eigene Position im globalen Kräfteringen ausbauen und Expansionsmöglichkeiten für das deutsche Kapital schaffen. Ob in Mali, im Kongo, am Horn von Afrika oder in Syrien – immer öfter kommt die Bundeswehr dabei als militärischer Arm deutscher Banken und Konzerne zum Einsatz. Eine besonderes erprobte Taktik ist dabei: Erst wird der Gegner weggebombt, dann eine Marionettenregierung installiert, und im Anschluss können sich deutsche Konzerne für Milliardenaufträge um den Wiederaufbau der Wirtschaft und der Infrastruktur kümmern.“

Ein Sprecher des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) sprach über den Zusammenhang zwischen Rechtsextremen und der Situation von Geflüchteten in Deutschland. Dazu sagte er: „Allein 2016 gab es 3500 Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte.“ Musikalisch wurde die Kundgebung von iLaz61 auf der Gitarre begleitet. Er singe auf kurdisch, um daran mitzuwirken, diese Sprache zu erhalten.

Solidarität mit indymedia.linksunten

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Solidarität mit indymedia.linksunten

Auch DIE LINKE und die Linksjugend waren vertreten

Von Alfred Denzinger – Stuttgart/Freiburg. Das schlechte Wetter hielt rund 100 Menschen nicht davon ab, gegen das Verbot der Internetplattform „indymedia.linksunten“ zu protestieren. Sie versammelten sich am Donnerstag, 31. August, auf dem Stuttgarter Rotebühlplatz. Aufgerufen hatte die Rote Hilfe Stuttgart.

Die RednerInnen erklärten ihre Solidarität mit den kriminalisierten Betreibern der Plattform und betonten: „Wir sind alle linksunten“. Für Samstag, 9. September, ist eine internationale Demonstration in Freiburg angekündigt. Die Versammlung soll um 19 Uhr am Bertoldsbrunnen beginnen.

Im Redebeitrag der RAS – Revolutionäre Aktion Stuttgart wurde betont, das Verbot der Plattform „indymedia.linksunten“ sei erfolgt, weil sie Teil des Widerstands gegen den Kapitalismus sei. Dagegen müsse man sich solidarisch zeigen und sei deshalb „heute auf der Straße“.

„Wir sind alle linksunten.indymedia!“

Die Rote Hilfe hob hervor, dass hinter dem Verbot auch der Verfassungsschutz stehe, da auf „indymedia.linksunten“ immer wieder Hintergrundrecherchen veröffentlicht worden seien, „welche die tiefen Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die rechte Szene zum Gegenstand hatten“. Die Verbindungen reichten von der NPD über Blood & Honour bis hin zum mordenden Nationalsozialistischen Untergrund (NSU).

Auch die anstehende Bundestagswahl sei mit ein Grund für die Repression. Innenminister Thomas de Maizière wolle damit „sein angekratztes Image aufpolieren“. Die Organisation erklärte weiter: „Die Rote Hilfe fordert die sofortige Zurücknahme der Verbotsverfügung. Wir sind alle linksunten.indymedia!“

Ein Angriff „gegen die gesamte Linke“

Die Rednerin von Zusammen kämpfen – ZK führte aus, dass mit dem Verbot der Internetplattform, „die von verschiedenen Strömungen der Linken benutzt wurde“, das politische Signal deutlich werde, „dass es dabei nicht um einen Angriff gegen eine spezifische Struktur“ gehe, sondern dass es ein Angriff „gegen die gesamte Linke“ sei. Dies könne „auch als Vorzeichen dafür verstanden werden, was an Repression noch auf uns zukommen wird“. Nun gehe es darum, „ideologische und politische Unterschiede zu überwinden, um den Angriffen unsere geschlossene Solidarität“ entgegenzustellen.

Den Angriff nicht hinnehmen

Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region – AABS wies darauf hin, dass sich das gesellschaftliche Klima immer weiter nach rechts verschiebe. Das Verbot von „indymedia.linksunten“ sei ein Teil davon. Es müsse im Kontext der verstärkten Hetze gegen Linke gesehen werden, die seit dem G20-Gipfel erkennbar sei. Der Staat habe „kein wirkliches Interesse an einem entschlossenen Kampf gegen Rechts“, und er bekämpfe „antifaschistische Arbeit, wo es nur geht“. Der Angriff auf „linke Medien“ dürfe nicht einfach hingenommen werden.

Harald Andre, Direktkandidat im Wahlkreis Stuttgart 2 der Internationalistischen Liste/MLPD zur Bundestagswahl, übermittelte die Solidarität der MLPD.

Die Polizei war mit drei Fahrzeugen vor Ort, hielt sich aber in gebührendem Abstand.

Die Kundgebung auf dem Rotebühlplatz wurde von folgenden Organisationen getragen: Rote Hilfe Stuttgart, Revolutionäre Aktion Stuttgart, Arbeitskreis Solidarität, Antifaschistische Aktion Esslingen, Zusammen Kämpfen Stuttgart, Antifaschistische Jugend Rems-Murr, Antifa Aufbau Stuttgart, Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart, Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region, Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung, Linksjugend [’solid] Stuttgart. Der Aufruf kann hier nachgelesen werden.

Der Aufruf zur internationalen Demonstration am Samstag, 9. September, in Freiburg gibt es hier.

Gedenken an die Pogromnacht

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Gedenken an die Pogromnacht

Archivbild 2016

Stuttgart/Bad Cannstatt. Am 9. November 1938 standen in ganz Deutschland die Synagogen in Flammen. Um an die Pogromnacht zu erinnern und zu verhindern, dass vergleichbare verbrecherische Kräfte jemals wieder die Macht übertragen bekommen, lädt das „Bündnis zum Gedenken an die Pogromnacht in Cannstatt“ zum 8. Mal zu einer Gedemkveranstaltung ein. Beginn ist am Donnerstag, 9. November,  um 18 Uhr am Platz der ehemaligen Cannstatter Synagoge in der König-Karl-Straße 45/47 (U-Bahn Haltestelle Bad Cannstatt Wilhelmsplatz).

Redner sind Bernhard Löffler (Geschäftsführer der DGB-Region Nordwürttemberg), Harald Stingele (Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber) und ein Vertreter oder eine Vertreterin des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS). Der Freie Chor Stuttgart begleitet die Gedenkfeiern mit antifaschistischen Liedern.

Ehemalige Cannstatter Synagoge

Am Abend des 9. November 1938 wurden Synagogen von Truppen der SA und der SS in Brand gesetzt – organisiert vom Parteiapparat der NSDAP und abgesichert von Polizei und Feuerwehr. Jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert, Zehntausende verhaftet, dutzende jüdische Menschen wurden ermordet. Die Pogromnacht stellte eine Zäsur dar, die faschistische Diktatur ging nun zum offenen Terror gegen Juden und Jüdinnen über.

Damals wie heute fielen Antisemitismus und Rassismus dort auf fruchtbaren Boden, wo die soziale Not groß ist und Existenzängste bestehen, heißt es im Unterstützeraufruf für die diesjährige Gedenkfeier.

Die Armut nehme heute auch in Deutschland zu. Wohnen werde für viele zunehmend unbezahlbar. Prekäre Arbeitsverhältnisse wie Leiharbeit, Befristungen und Werkverträge würden immer mehr zum Alltag. Noch nicht direkt Betroffene hätten zunehmend soziale Abstiegsängste. Und wieder würden Sündenböcke präsentiert – zurzeit vor allem Geflüchtete.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass wieder Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke herhalten müssen und Menschen gegeneinander ausgespielt werden“, so der Appell.

Abschließend wird von 19 Uhr an ein Film zum Thema mit Zeitzeugen im Rathaus von Bad Cannstatt am Marktplatz 10 gezeigt. Seit 2012 haben Stuttgarter Jugendliche 23 Zeitzeugen und Verfolgte des deutschen Faschismus in Deutschland, Israel und in den USA interviewt. Die Filme liefen in den vergangenen Jahren in Stuttgarter Kinos.

Das Zeitzeugenprojekt wurde von den Stuttgarter Stolpersteininitiativen und dem Stadtjugendring Stuttgart initiiert. Zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht wollen die Filmemacher an diesem Abend Interviews zeigen, in denen Zeitzeugen ihre Erinnerungen an die Pogromnacht schildern.

Siehe auch unsere früheren Berichte Erinnerung ist wichtiger denn je und Von Cannstatt bis Killesberg.

Die UnterstützerInnen des Aufrufs:

Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart (AABS); Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart; „Arbeit Zukunft“ Stuttgart; DIDF, Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart; DIE LINKE OV Bad Cannstatt; DIE LINKE Stuttgart; DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart; Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE-PluS; Freier Chor Stuttgart; Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Regionalgruppe Stuttgart; Friedenstreff Stuttgart Nord; Friedenstreff Cannstatt; Groll, Renate und Manfred, Gerlingen; Grüne Jugend Stuttgart; Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber; Linksjugend [’solid] Stuttgart; Revolutionäre Aktion Stuttgart; SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial; ver.di Bezirk Stuttgart; VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten; Verein Zukunftswerkstatt  Zuffenhausen; VÖS (Vaihingen Ökologisch Sozial); Waldheim Stuttgart / Clara Zetkin Haus; Waldheim Gaisburg; Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

Nicht nur erinnern, sondern auch handeln

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Nicht nur erinnern, sondern auch handeln

Von Alfred Denzinger – Stuttgart. Etwa 250 Menschen folgten am Abend des 9. November dem Aufruf des „Bündnisses zum Gedenken an die Pogromnacht in Bad Cannstatt“. Sie versammelten sich am Platz der Cannstatter Synagoge in der König‐Karl‐Straße und gedachten der Opfer der Pogromnacht vor 79 Jahren. Musikalisch umrahmt wurde das Programm mit antifaschistischen Liedern von KünstlerInnen des „Freien Chor Stuttgart“. Es gab Redebeiträge von Harald Stingele für die Initiative Gedenkort Hotel Silber, von Bernhard Löffler für den DGB und von zwei VertreterInnen des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region AABS. Am Ende der Kundgebung wurden ein Kranz und zahlreiche rote Nelken niedergelegt.

Am 9. November 1938 wurden die Synagogen von Truppen der SA und der SS in Brand gesetzt, organisiert vom Parteiapparat der NSDAP und abgesichert von Polizei und Feuerwehr. Jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert, Zehntausende verhaftet, dutzende jüdische Menschen wurden ermordet. Die Pogromnacht stellte eine Zäsur dar, die faschistische Diktatur ging nun zum offenen Terror gegen Juden und Jüdinnen über.

Nicht nur erinnern, sondern auch handeln

Ralf Chevalier vom „Bündnis zum Gedenken an die Pogromnacht in Bad Cannstatt“ begrüßte die TeilnehmerInnen. Für die Initiative Gedenkort Hotel Silber sprach Harald Stingele.

Bernhard Löffler, Geschäftsführer der DGB-Region Nordwürttemberg, erinnerte in seiner Rede an „diese Nacht 1938, in welcher hier in Bad Cannstatt, wie auch in ganz Deutschland, jüdische Menschen, jüdisches Leben und jüdische Einrichtungen zu Zielscheiben des Hasses und der Gewalt des Naziregimes und ihrer Schergen wurden“. Er spannte den Bogen zur Gegenwart und erklärte, es gäbe auch heute noch „20 bis 25 Prozent mit rechtsaffinen Einstellungen in unserer Bevölkerung“. Löffler forderte die Anwesenden dazu auf, gegen jegliche Form der Abwertung und gegen Rassismus konsequent vorzugehen. Es könne nicht nur um das Erinnern gehen, sondern es müsse auch ein „aktives Gedenken“ folgen.

Löffler gedachte des am 12. Juni diesen Jahres verstorbenen Stuttgarter Antifaschisten Theodor Bergmann (siehe hierzu auch unsere früheren Beiträge zu Theodor Bergmann). Der jüdische Kommunist hatte auch in Cannstatt mehrfach bei früheren Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht gesprochen.

Entschlossen gegen jede Form von Rechtspopulismus, Rassismus und Faschismus

VertreterIn des AABS

Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS betonte, so schmerzlich die Erinnerung an die Verbrechen früherer Generationen auch sei, so wichtig sei das Gedenken daran. An Tagen wie dem 9. November führe man sich vor Augen, was passieren könne, wenn man Faschisten gewähren ließe. Man könne hier neuen Mut und Kraft tanken, um sich entschlossen jeder Form von Rechtspopulismus, Rassismus und Faschismus entgegen zu stellen.

Zeitzeugen erinnern sich

Im Anschluss an die Kundgebung wurde im Rathaus von Bad Cannstatt ein Film zum Thema mit Stuttgarter Zeitzeugen gezeigt. Rund 80 Menschen nahmen an der Filmvorführung teil. Das Zeitzeugenprojekt wurde von den Stuttgarter Stolpersteininitiativen und dem Stadtjugendring Stuttgart initiiert. Zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht zeigten die Filmemacher an diesem Abend Interviews, in denen Zeitzeugen ihre Erinnerungen an die Pogromnacht schilderten.

Nach der Filmvorführung fand eine kurze Diskussion statt. Kritisiert wurde, dass keine Zeitzeugen aus dem Widerstand gegen das Naziregime zu Wort kamen.

Seit 2012 haben Stuttgarter Jugendliche 23 Zeitzeugen und Verfolgte des deutschen Faschismus in Deutschland, Israel und in den USA interviewt. Die Filme liefen in den vergangenen Jahren in Stuttgarter Kinos.

Unterstützt wurde die Kundgebung von folgenden Organisationen:

Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart (AABS)
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
„Arbeit Zukunft“ Stuttgart
DIDF, Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart
DIE LINKE OV Bad Cannstatt
DIE LINKE Stuttgart
DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart
Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE-PluS
Freier Chor Stuttgart
Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Regionalgruppe Stuttgart
Friedenstreff Stuttgart Nord
Friedenstreff Cannstatt
Renate und Manfred Groll, Gerlingen
Grüne Jugend Stuttgart
Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber
Linksjugend [’solid] Stuttgart
RAS Revolutionäre Aktion Stuttgart
SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial
ver.di Bezirk Stuttgart
VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen
Verein Zukunftswerkstatt Zuffenhausen
VÖS (Vaihingen Ökologisch Sozial)
Waldheim Stuttgart / Clara Zetkin Haus
Waldheim Gaisburg
Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

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Neonazis ergreifen nach Heldengedenken die Flucht

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Neonazis ergreifen nach Heldengedenken die Flucht

Symbolbild

Göppingen. Nach einem Gerangel sollen Unbekannte am Sonntag, 19. November, eine Gruppe von Neonazis aus dem Göppinger Oberhofenpark vertrieben haben. Die Neonazis hatten sich mit Fackeln am Kriegerdenkmal aufgestellt, um gefallene Soldaten der NS-Zeit zu ehren. Bei einem erneuten Aufeinandertreffen unweit der Stadthalle wurde nach Polizeiangaben eine Person schwer verletzt. Sie musste in eine Klinik gebracht werden. Die Ermittlungsbehörden geben sich bedeckt, schließen jedoch einen möglichen politischen Hintergrund nicht aus.

Seit Jahren wird über das Göppinger Kriegerdenkmal im Oberhofenpark gestritten. Ist es angemessen, zu heldisch oder stellt es sogar Nazi-Kunst dar? Immer wieder gab es Kundgebungen, Treffen und Demonstrationen von aktiven Neonazis aus dem Kreis Göppingen bei dem Denkmal. So offenbar auch am Sonntag, dem Volkstrauertag.

Neonazis ergreifen die Flucht

Neonazis, die mit angezündeten Fackeln gefallene Soldaten des Naziregimes ehren wollten, wurden gegen 17.50 Uhr von einer 15-köpfigen, vermutlich der linken Szene zuzurechnenden Gruppierung gestört. Im Lauf der Auseinandersetzung gelang es der größeren Gruppe, die kleinere sechsköpfige Neonazitruppe aus dem Park mit dem umstrittenen Kriegerdenkmal zu vertreiben.

Im Bereich der Östlichen Ringstraße sollen die beiden Gruppierungen erneut aufeinandergetroffen sein. Anwohner, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, verständigten die Polizei. Bei der erneuten Auseinandersetzung soll aus der Gruppe der Verfolger, die nach Angaben der Neonazis vermummt und mit Baseballschlägern ausgestattet waren, Pfefferspray versprüht worden sein.

Anschließend seien die Verfolger zu Fuß zur Stadthalle geflüchtet, dort in mehrere Fahrzeuge gestiegen und in Richtung Hohenstaufenstraße weggefahren, gaben die Neonazis bei der Polizei zu Protokoll. Die Beamten fahndeten sofort mit mehreren Streifen nach den Angreifern, heißt es in der Pressemitteilung des Präsidiums. Bei dem erneuten Aufeinandertreffen unweit der Stadthalle sei eine Person so schwer verletzt worden, dass sie in eine Klinik gebracht werden musste.

Ermittlungsbehörden geben sich bedeckt

Göppinger Kriegerdenkmal

Die Pressestelle des für Göppingen zuständigen Polizeipräsidiums Ulm hielt sich auf Nachfrage der Redaktion sehr bedeckt – aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es hieß. Ein möglicher politischer Hintergrund der Auseinandersetzung werde jedoch nicht ausgeschlossen, so das Polizeipräsidium.

Die Neonazigruppe hatte noch vor Veröffentlichung der Pressemeldung des Polizeipräsidiums Bilder ihres Treffens in Göppingen auf einer Facebook-Seite „Aktionsblog Württemberg“ veröffentlicht. Auf den Fotos sind einzelne Personen auch erkennbar. In Göppingen hätten sich „volkstreue Männer und Frauen am örtlichen Kriegerdenkmal“ versammelt. Man habe Fackeln entzündet, eine Ansprache gehalten und „in Stille der tapferen Soldaten gedacht, die für Volk und Vaterland hinaus in den Krieg zogen“.

In der  Region war die inzwischen verbotene Gruppierung „Autonome Nationalisten Göppingen“ aktiv. Ein Teil der ehemaligen Mitglieder engagieren sich heute beim „Dritten Weg“. Die Initiative „Kreis Göppingen nazifrei“ und „Amnesty International“ versuchen immer wieder, Aufklärung über Naziaktivitäten und Prävention im Kreis zu etablieren. Sie stoßen jedoch immer rasch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Auch das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS engagiert sich in Göppingen gegen Neonazis (siehe hierzu „Rechte Anschläge müssen aufgeklärt werden“ und „Kundgebung gegen den „dritten Weg“„).

Während in Göppingen weiterhin Neonazis ihr Unwesen treiben, sprechen Ermittlungsbehörden und Stadtverwaltung davon, es handle sich nur um einen kleinen Haufen „rechter Schergen“ – so Oberbürgermeister Guido Till -, die aus den umliegenden Gemeinden stammen.

Gedenken an Oury Jalloh in Dessau

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Gedenken an Oury Jalloh in Dessau

Archivbild

Stuttgart/Dessau. Eine Protest- und Gedenk-Demonstration an Oury Jalloh ist am Sonntag, 7. Januar, in Dessau geplant. An diesem Tag jährt sich der Feuertod des Geflüchteten in einer Polizeizelle zum 13. Mal. Die Demonstration soll ein Zeichen gegen tödliche und rassistische Gewalt des Staates und die „systematische Straflosigkeit für die TäterInnen setzen“, heißt es im Aufruf der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Beginn ist um 14 Uhr am Hauptbahnhof in Dessau. Auch in Stuttgart ist zum Todestag Oury Jallohs eine Kundgebung geplant. Sie beginnt am Samstag, 6. Januar, um 15.30 Uhr auf dem Schlossplatz.

Zu der Kundgebung in Stuttgart rufen das Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) und die VVN-BdA Stuttgart auf.

AfD kündigt Gegenkundgebung an

Quelle: Veranstalter Dessau

Als Teilnehmer der Demonstration in Dessau wird auch Oury Jallohs Bruder Saliou Diallo aus Guinea erwartet. Besondere Brisanz erhält sie dadurch, dass Sachsen-Anhalts AfD eine „Gegenkundgebung am Todestag von Oury Jalloh“ angekündigt hat. Sie soll von 14 bis 16 Uhr auf dem August-Bebel-Platz im Dessauer Stadtzentrum parallel zum Gedenkmarsch für Oury Jalloh stattfinden.

„Der jährliche linksautonome Propaganda-Spuk muss mal ein Ende haben. Stop dieser politischen Leichenfledderei“, schrieb der AfD-Landeschef André Poggenburg auf Twitter. Er hatte schon beim Gedenken vor einem Jahr einen Zwischenfall provoziert, indem er am Rande der Demo ein Interview gab, berichtete die „Mitteldeutsche Zeitung„.

Brand- und Todesursache nicht aufgeklärt

Quelle: Veranstalter Dessau

Oury Jalloh war vor 13 Jahren in Dessau in einer Polizeizelle verbrannt, nachdem ihn Polizeibeamte gewaltsam in Gewahrsam genommen und auf einer schwer entflammbaren Matratze an Händen und Füßen fixiert hatten. Bis heute sind die Brand- und Todesursache nicht aufgeklärt. Die offizielle Version war, Oury Jalloh habe sich trotz Fesselung und intensiver zweimaliger Leibesvisitation mit einem dabei übersehenen Feuerzeug selbst angezündet.

„Oury Jalloh – das war Mord“ war und ist hingegen die Überzeugung der Initiative, die über all die Jahre nicht locker ließ und die Aufklärung des mutmaßlichen Verbrechens forderte. In jüngerer Zeit kam Bewegung in die Ermittlungen: Im April 2017 verwarf der leitende Oberstaatsanwalt in Dessau die 12 Jahre lang von den Behörden aufrechterhaltene Selbstmordthese und leitete Mordermittlungen gegen konkret benannte Polizeibeamte ein.

Mordermittlungen gegen Polizeibeamte

Er regte bei der Bundesanwaltschaft an, dass sie die Mordermittlung leiten solle. Die Behörde lehnt die Zuständigkeit jedoch ab: Die den Beschuldigten zur Last gelegten Taten reichten nicht aus, um eine Zuständigkeit der Bundesjustiz zu rechtfertigen. Ein fremdenfeindliches Motiv sei nicht erkennbar. Ähnlich war es schon 2013, als die Initiative Anzeige wegen Mordes gegen unbekannte Polizisten beim damaligen Generalbundesanwalt erstattete. Auch da lehnte der Generalbundesanwalt seine Zuständigkeit ab, das Verfahren wurde an Dessau zurückgegeben.

Gutachter: das Feuer müsse „von dritter Hand“ gelegt worden sein –
Staatsanwaltschaft stellt Verfahren dennoch ein

Archivbild

Diesmal landete die Morduntersuchung bei der Staatsanwaltschaft Halle, die das Verfahren im Sommer 2017 einstellte, weil angeblich die Faktenlage „uneindeutig“ sei und auch keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Dabei hatte die Dessauer Staatsanwaltschaft eine Transparenzoffensive ausgerufen und Medien, Anwältinnen der Familie und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh im August 2016 zu einem Brandversuch einen Monat später eingeladen. Mehrere Gutachter kamen zu dem Schluss, das Feuer müsse „von dritter Hand“ gelegt worden sein.

Der „Mitteldeutschen Zeitung“ zufolge prüft derzeit die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg, ob das Verfahren wieder aufgenommen wird. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hatte zuletzt Einsicht in die Ermittlungsakten beantragt. Sie sollen den Mitgliedern des Rechtsausschusses in der Geheimhaltungsstelle vorgelegt werden.

Der Fall Oury Jalloh: Justizskandal ohne Ende

Im November 2017 berichtete das Fernsehmagazin Monitor über eine dramatische Wende im Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh. Der Monitor-Beitrag kann hier angesehen werden.

Gedenken an Oury Jalloh in Stuttgart

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Gedenken an Oury Jalloh in Stuttgart

Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Gut 120 Menschen kamen am Samstag, 6. Januar – dem Vortag der großen Gedenkdemonstration am Ort des Geschehens in Dessau – in der Stuttgarter Innenstadt zusammen. Sie erinnerten ebenfalls an den 13. Todestag Oury Jallohs und forderten, seinen Tod in einer Polizeizelle endlich aufzuklären. Zu der Kundgebung „Oury Jalloh, das warMord!“ am Nachmittag auf dem Schlossplatz hatten das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) und die VVN-BdA Stuttgart aufgerufen. 

Neben Janka Kluge von der VVN-BdA und einem Vertreter des AABS (siehe unten) sprachen in Stuttgart auch Seán Mcginley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg und der Flüchtlingsaktivist Rex Osa. Die Kundgebung stieß auch bei Passantinnen auf starkes Interesse. Viele hatten schon vom Fall Oury Jalloh und begrüßten es, dass auf das mutmaßliche Verbrechen an dem Flüchtling aus Sierra Leone aufmerksam gemacht wird.

Themen der Ansprachen waren neben dem Tod Jallohs selbst der Rassismus, den auch Vertreter der Behörden oft an den Tag legten und der sich gerade gegenüber MigrantInnen äußere. Die Verstrickung von Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden in die Verbrechen des NSU waren ebenfalls Thema. Offenbar wurden Einkünfte und Kontakte von V-Leuten dazu genutzt, den NSU aufzubauen, überdies die Aufklärung der Verbrechen durch das Vernichten von Akten behindert.

Janka Kluge von der VVN-BdA geht davon aus, dass die Matratze Jallohs in seiner Zelle angezündet und Brandbeschleuniger verwendet wurde, um zu vertuschen, dass er erschlagen worden war. Nachdem die Behörden mehr als ein Jahrzehnt behauptet hatten, Jalloh hätte sich selbst in Brand gesteckt, gehen von einem solchen Ablauf inzwischen mehrere Gutachter und auch Ermittler selbst aus (siehe auch „Gedenken an Oury Jalloh in Dessau„).

Schuldig gemacht hätten sich aber nicht nur die Polizisten. Kluge warf der Staatsanwaltschaft vor, alles unternommen zu haben, um nicht wirklich ermitteln zu müssen. Auch bei den Ermittlungen zu den Verbrechen des NSU hätte sich dieser Korpsgeist gezeigt, kritisierte Kluge und führte unter anderem Beispiele aus Baden-Württemberg an (siehe unten im Wortlaut). Ohne die Hartnäckigkeit der Gedenkinitiative wäre der mutmaßliche Mord an Oury Jalloh längst vergessen.

Redner des AABS

Der Redner des AABS warf der Polizei „Racial profiling“ vor, die gezielte und damit diskriminierende Kontrolle von Ausländern. Ein weiterer Vorwurf war, dass Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei Täter aus den eigenen Reihen systematisch deckten und die Verbrechen vertuschten. Überdies sei der Feuertod Oury Jallohs kein Einzelfall gewesen. Schon 1997 und 2002 hätten Menschen ihre Ausnüchterung in der Zelle in Dessau nicht überlebt.

Die Rede von Janka Kluge, VVN-BdA, imWortlaut:

„Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Passanten,

wir haben uns heute versammelt, um an den Tod von Oury Jalloh zu erinnern. Er war ein Asylbewerber aus Sierra Leone und lebte in Dessau. Am 7. Januar 2005 wurde er verhaftet. Er hat in einem Park zwei Frauen gebeten ihr Handy zu benutzen. Sie hatten sich belästigt gefühlt und die Polizei gerufen. Diese hat darauf eine Gruppe von Menschen aus Schwarzafrika, unter ihnen Oury Jalloh, festgenommen. Er war kurz zuvor wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Weil er sich wehrte, als er in die Wache gebracht wurde, ist er mit Fesseln an Händen und Füßen fixiert worden. Die Zelle ist nach Angaben der Polizei jede halbe Stunde überprüft worden. Obwohl er durchsucht worden ist, soll es ihm gelungen sein ein Feuerzeug aus der Tasche zu holen und seine Kleider, oder die feuerfeste Matratze anzuzünden.

Verschiedene Brandgutachten haben ergeben, dass es ohne Brandbeschleuniger gar nicht möglich gewesen ist so einen Brand zu legen. Obwohl die Zelle überwacht wurde hat die Polizei nicht reagiert. Weil er bei einem Telefonat nicht gestört werden wollte, hat ein Polizeibeamter den Lautsprecher am Monitor leiser gedreht. Kurz darauf hat der Dienstgruppenleiter den angegangenen Feueralarm ganz ausgeschaltet. Obwohl Oury Jalloh gefesselt war, haben Männer der Feuerwehr, die den Brand gelöscht haben, ausgesagt, dass sie den Leichnam Oury Jallohs ohne Fesseln und ausgestreckt gefunden haben.

Obduktionen ergaben danach, dass er eine gebrochene Nase hatte und die Trommelfelle der Ohren verletzt waren. Bei dieser ersten Untersuchung des Tatorts wurde kein Feuerzeug gefunden. Erst in einer späteren Liste der Reservatenkammer ist ein leicht beschädigtes Feuerzeug aufgetaucht. Die Polizisten taten alles um zu vertuschen, dass in der Polizeizelle Oury Jalloh brutal erschlagen wurde. Als sie dann bemerkten, dass er lebensgefährlich verletzt ist, nahmen sie ihm die Fesseln ab, überschütteten ihn mit Brandbeschleuniger und verbrannten ihn. Die Gutachten ergaben, dass es müssen mindestens zwei Liter Brandeschleuniger  gewesen sein müssen. Eher sogar mehr.

Schuldig gemacht haben sich aber nicht nur die Polizisten, sondern auch die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat alles unternommen um nicht wirklich ermitteln zu müssen. Schließlich ist bei einem Verfahren, wegen unterlassener Hilfeleistung der Polizist Andreas S. zu einer Geldstrafe von etwas über 10 000 Euro verurteilt worden. Die Strafe wurde großzügiger weise von der Gewerkschaft der Polizei bezahlt.

Angeblich ist die Polizei ein Spiegel der Gesellschaft. Ich behaupte aber, dass rassistische Einstellungen bei den Beamten verbreiteter sind, als beim Rest der Bevölkerung. Und da ist er schon erschreckend hoch.

Ein Beispiel aus der Region. Mehrere Polizisten aus Baden-Württemberg waren Mitglied im rassistischen Ku-Klux-Klan. Obwohl V-Leute dies dem Verfassungsschutz in Baden-Württemberg gemeldet haben, wurde keine Konsequenz gezogen. Sie bekamen schließlich eine Abmahnung.

Neben dem Rassismus in den Reihen gibt es aber noch ein weiteres Problem. Es ist der alte Korpsgeist, der noch immer vorhanden ist. Der interne Druck ist so hoch, dass kaum ein Polizist, oder eine Polizistin es wagt gegen andere auszusagen. Das zeigt der Mord an Oury Jalloh. Es gibt aber noch andere Beispiele und wir müssen dabei nicht auf die neuen Bundesländer schauen.

Auch bei der zähen und noch lange nicht vollständigen Aufklärung über die Verbrechen des NSU und ihrer Strukturen zeigte sich dieser Korpsgeist.

Ein Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes meldete sich nach der Veröffentlichung der Phantombilder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber und berichtete, dass 2003 ein Informant aus der Naziszene mit dem Decknamen Erbse, ihm bei einem Treffen von einer Gruppe namens NSU berichtet habe und auch der Name Mundlos gefallen sei. Also vor der sogenannten Selbstenttarnung des Kerntrios.

Vor dem Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags hat der Informant Erbse ausgesagt und jedes Wissen über den NSU bestritten. Er wurde in Handschellen vorgeführt, weil er wegen mehrerer Delikte in Haft war. Nach seinen Schilderungen hat die Polizei gezielt einseitig ermittelt um ihn hinter Gitter zu bekommen.

Nach ihm hat der ehemalige Verfassungsschutzbeamte, der ihn damals befragte vor dem Ausschuss ausgesagt. Er erinnerte sich noch sehr gut an das fast dreistündige Gespräch mit dem Informanten und, dass er die Bezeichnung NSU erwähnt hat. Außerdem hat er fünf Namen genannt, unter denen auch ein Mundlos war. Der Beamte macht sich heute noch Vorwürfe diese Hinweise nicht ernst genommen zu haben. An die Einschüchterungsversuche, die er davor vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags öffentlich gemacht hat, wollte er sich nicht mehr erinnern. War er bei der Anhörung vor dem Bundestag noch voller Elan, gab er bei der Anhörung in Stuttgart das Bild eines gebrochenen Mannes ab. Er ist dienstunfähig geschrieben. Wer, oder was ihm geschehen ist, wollte er nicht sagen. Seine Angst war zu groß.

Ungefähr ein Jahr später hat sich Erbse auf ein Gespräch mit dem Journalisten Thomas Moser eingelassen. Jetzt sagte er, dass die ursprüngliche Darstellung gestimmt hat und er bei Gesprächen mit Nazis aus Heilbronn den Begriff NSU und die Namen gehört hat. Beim Untersuchungsausschuss hat er falsch ausgesagt, weil er im Gefängnis unter Druck gesetzt worden ist. Zwei Beamte haben ihn kurz vor der Anhörung im Gefängnis aufgesucht und ihn so unter Druck gesetzt, dass er falsch ausgesagt hat.

Ein ähnlicher Vorgang stand gestern in der Presse. Ein Mitarbeiter der Justiz in Dessau hatte im November 2013 auf einer Polizeistation in Dessau ausgesagt, dass der Polizist Andreas S. früher Mitglied einer Betriebsfeuerwehr gewesen ist und Erfahrung im Umgang mit Brandbeschleunigern hatte.

Die Welt, der ja nicht nachgesagt werden kann, dass sie linksradikal oder links ist, hat gestern über den Vorfall berichtet:

„Im April 2014 wiederholte der Justizmitarbeiter demnach seinen Vorwurf in einer SMS an das Polizeirevier, erneut unter Alkoholeinfluss. Gegen ihn sei ein Disziplinarverfahren wegen übler Nachrede eingeleitet worden, er habe seine Aussagen zurückgezogen, heißt es in dem Bericht. Bei einer Befragung im Oktober 2014 durch die Staatsanwaltschaft habe er keine weiteren Aussagen gemacht.“

Es ist deutlich zu spüren wie das System der Einschüchterung nach innen funktioniert.

Der Mord an Oury Jalloh wäre schon längst vergessen, hätte es nicht eine Initiative gegeben, die nicht locker gelassen hat und immer wieder Aufklärung gefordert hat. Sie haben Veranstaltungen und Kundgebungen durchgeführt, aber auch neue Gutachten zur Untersuchung der angeblichen Selbsttötung von Oury Jalloh in Auftrag gegeben. Für all das haben sie mehr als 100 000 Euro ausgegeben.

Ihr Beispiel und ihre Hartnäckigkeit soll uns ein Beispiel in einem Kampf für eine bessere, nicht rassistische Welt sein.“

 

Die Rede des AABS im Wortlaut:

„Verhaftet – Verbrannt – Vertuscht! – Liebe Passantinnen und Passanten,

morgen jährt sich erneut der Mord an Oury Jalloh. Der aus Sierra Leone geflohene Oury Jalloh wurde in Dessau festgenommen und in einer Ausnüchterungszelle ans Bett gefesselt. Verbrannt.

13 Jahre lang wurde seine Verbrennung als Suizid oder als Unfall dargestellt. Beweismittel wurden vernichtet und Gutachten nicht anerkannt.

Die Initative Oury Jalloh übte durchgehend Kritik an den Verfahren aus.

Mit Veranstaltungen, Demonstration und selbst finanzierten Gutachtern klären sie über den Mord auf und üben Druck aus. Dieses Jahr musste der Staatsanwalt die offensichtliche Tötung durch Polizisten einräumen.

Bis dahin wurden systematisch die Täter gedeckt und diejenigen, die Aufklärung forderten, schikaniert. Geldstrafen, Abhörung und Entziehung von Gewerbelizenzen sind nur Beispiele.

Oury Jalloh ist nicht der erste, der in dieser Zelle in Dessau ermordet wurde. Schon 1997 und 2002 überlebten Menschen ihre Ausnüchterung in dieser Zelle nicht.

Aber auch Dessau ist kein Einzelfall. Immer wieder tötet die Polizei. Und viele mehr werden regelmäßig schwer verletzt. Die Täter kommen in der Regel glimpflich davon. Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei gehen Hand in Hand. Systematisch werden die Täter gedeckt und die Taten vertuscht – wer sagt schon gern gegen die eigenen Kollegen aus…

Die Opfer der Polizeigewalt sind meist sozial Benachteiligte, also Obdachlose und Menschen mit Migrationshintergrund. Oft werden diese bei angeblich Verdachtsunabhängigen Personenkontrollen festgenommen.

Bei diesen Kontrollen gehen Polizisten häufig nach rassistischen Vorurteilen vor. Durch dieses „Racial Profiling“ genannte verfahren wird auch die Kriminalitätsstatistik von Menschen mit Migrationshintergrund erhöht; wenn verstärkt MigrantInnen kontrolliert werden, ist es kaum Verwunderlich, dass Straftaten nur bei diesen festgestellt werden.

Dies bestärkt vorhandene Vorurteile gegen MigrantInnen. Rassistisches Stammtischgeschwätz ist nicht harmlos. Wir konnten beobachten, wie rechte Parteien mit ihrer Stimmungsmache die Regierung vor sich her treiben. Der Rassismus wird von diesen dann in Institutionen und Gesetzen verankert und ausgeführt. Abschiebungen und rassistische Polizeikontrollen veranlassen schließlich nicht die NPD oder die AfD, sondern die CDU, die SPD, die FDP und auch die Grünen!

Damit werden MigrantInnen von staatlicher Seite diskriminiert. Wir konnten auch beobachten, wie die Hetze von Bild und Konsorten Rassismus zur Normalität erklärte. Eine Zunahme von rassistischen Verhalten im Alltag, Übergriffen auf nicht-weiße und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünften sprechen für sich. Dies darf nicht weiter verharmlost werden!

Wir alle müssen dagegen aktiv werden. Es gilt diesem Rassismus entschlossen entgegen zu treten. Und zwar überall: in den Medien und Parlamenten, in den Kneipen, den Schulen, beim Weihnachtsessen mit der Familie oder in der U-Bahn. Wenn ihr rassistische Kontrollen beobachtet, mischt euch ein und benennt in aller Öffentlichkeit, was da vor sich geht!

Daneben müssen wir den antifaschistischen Widerstand organisieren, um den Rechten von Afd, Pegida, Dritter weg und co. die Straße zu nehmen.

Damit sich nie wieder der Fall Oury Jalloh wiederholt. Oury Jalloh – Das war Mord! Stoppt den Rechtsruck in der BRD!“


Rassismus ist keine Alternative

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Rassismus ist keine Alternative

Von Sandy Uhl – Heidenheim. Am Samstag und Sonntag, 17. und 18. März, richtet die baden-württembergische AfD im Congress Centrum in Heidenheim ihren 12. Landesparteitag aus. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Organisationen und Parteien ruft für Samstag, 17. März, zur Demo und Kundgebung gegen das Treffen auf – unter anderem mit einer Plakataktion.

Über 30 Organisationen wollen als Bündnis ein friedliches Zeichen gegen Rassismus und für ein buntes und solidarisches Baden-Württemberg setzen. „Wir protestieren und demonstrieren für eine offene, bunte und solidarische Gesellschaft statt Volksverhetzung und Rassismus“, heißt es in dem Aufruf.

Finde den Unterschied

Die Organisatoren berichten, dass die AfD in der Region Heidenheim in der Vergangenheit durch ihre Nähe zur NPD und der militanten rechten Szene aufgefallen sei. Der AfD-Landtagsabgeordnete Heiner Merz beschäftige den umstrittenen Marcel Grauf, der zuvor im Jugendverband der NPD und der Burschenschaft „Germania Marburg“ aktiv gewesen sei. Man wolle nicht, dass der fremdenfeindlichen Hetze und der rechten Ideologie Raum gegeben werde – weder in Heidenheim noch anderswo.

Demonstrationsroute

Der Protest gegen den AfD-Landesparteitag beginnt um 9 Uhr am Konzerthaus in Heidenheim. Dort startet eine Demonstration, zu der etwa 200 TeilnehmerInnen erwartet werden. Die Route verläuft über die Erchenstraße – Fußgängerzone Hauptstraße – Eugen-Jaekle-Platz – Brenzstraße – August-Lösch-Straße – St. Pöltener Straße – Erchenstraße – Schützenstraße – Katzental – Schloßhaustraße zum Hugo-Rupf-Platz 3.

Reden und Musik

NoRMAhL

Ab 10 Uhr ist eine Kundgebung beim Congress Centrum direkt vor dem Naturtheater Heidenheim geplant. Hier rechnen die Organisatoren mit 300 TeilnehmerInnen. Bei der Kundgebung, die in Hör- und Sichtweite zum AfD-Landesparteitag stattfinden soll, treten 10 RednerInnen und 14 Live-Bands auf. Unter anderem wollen der Heidenheimer Abgeordnete und Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Andreas Stoch und die Königsbronner Bundestagsabgeordnete der Grünen Margit Stumpp sprechen.

Highlight des musikalischen Rahmenprogramms dürfte der Auftritt der „ältesten Punkband Deutschlands – NoRMAhl“ werden. Zudem wird es Grußworte von der Band „Revolverheld“, dem Liedermacher Konstantin Wecker und Sascha, dem Sänger von „Boss Hoss“ geben. Für die Anreise mit dem Auto stehen Parkmöglichkeiten an der Voith-Arena zur Verfügung.

Plakataktion

Plakataktion „Rassismus ist keine Alternative“

Seit Samstagabend hängen an acht unterschiedlichen Standorten in Heidenheim Plakate, die unter dem Motto „Rassismus ist keine Alternative“ zu der Kundgebung und Demonstration gegen den AfD-Landesparteitag aufrufen. Träger der Aktion sind die baden-württembergische VVN-BdA und die Organisation „Aufstehen gegen Rassismus“.

Am 17. März wird es bundesweit und international einen dezentralen Aktionstag gegen Rassismus geben. „Gemeinsam werden wir am 17. März dem Rassismus ein gemeinsames Zeichen der Solidarität entgegen stellen“, heißt es auf der Seite der Veranstalter.

Die Unterstützer des Protests in Heidenheim:

DGB Kreisverband Heidenheim, DGB Ortsverband Herbrechtingen, IG Metall Heidenheim, Verdi-Ortsverein Heidenheim, GEW Ostwürttemberg, Die Linke Kreisverband Heidenheim, DKP Baden-Württemberg, SPD-Kreisverband Heidenheim, SPD-Ortsverein Heidenheim, AG Kultur und Kampf Heidenheim, Jusos Heidenheim, Alevitisches Kulturzentrum Heidenheim und Umgebung, Jugendkulturinitiative Esperanza Schwäbisch Gmünd, Naturfreunde Heidenheim, Naturfreunde Giengen, Humanistischer Freidenker-Verband Ostwürttemberg, Geschichtswerkstatt Heidenheim, Georg-Elser-Arbeitskreis, Betriebsseelsorge Ostwürttemberg, VVN-BdA Baden-Württemberg, Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region, Fanprojekt Heidenheim, DGB Kreisverband Ostalb, IG Metall Aalen, IG Metall Schwäbisch Gmünd, Die Grünen Kreisverband Heidenheim, Bündnis Aufstehen gegen Rassismus Aalen und Schwäbisch Gmünd, Die Linke Kreisverband Ostalb, Pressehütte Mutlangen, SJD – Die Falken Ulm, Kollektiv26. Autonome Gruppe Ulm, Netzwerk Asyl REFUGEES SUPPORT me4u – helping hands, Attac Aalen, Alevitisches Kulturzentrum Aalen, a.l.s.o. Schwäbisch Gmünd, DGB-Jugend Baden-Württemberg

Schulterschluss gegen Neonazis

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Schulterschluss gegen Neonazis

Von unseren ReporterInnen – Kandel. Tausende AnhängerInnen von Pegida oder AfD bei einem angeblichen „Trauermarsch“ in Kandel und kaum Protest: Eine ähnliche Szene wie Anfang März wollten die BewohnerInnen der südpfälzischen Kleinstadt, aber auch AntifaschistInnen aus der Region nicht noch einmal erleben – und das mussten sie auch nicht: Am Samstag, 24. März, versammelten sich gut doppelt so viele GegendemonstrantInnen wie Rechte in den Gassen des Sitzes der Verbandsgemeinde. Der Initiative „Wir sind Kandel“ war es gelungen, ein breites Bündnis von NazigegnerInnen zu schmieden.

250 Einzelpersonen und Organisationen hatten den Aufruf von „Wir sind Kandel“ unterschrieben. Bei frühlingshaftem Wetter waren nach Polizeiangaben am Samstag etwa 1000 AnhängerInnen des AfD-Umfelds und doppelt so viele NazigegnerInnen in der Stadt auf der Straße. Wir schätzen die Zahl der Mitläufer der AfD auf etwa 1200, aber auch die Zahl der GegendemonstrantInnen deutlich höher.

Kein Protest in Hör- und Sichtweite

Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und andere Organisationen wirkten im Bündnis „Wir sind Kandel“ zusammen. Künstler wie Heinz Ratz und die Band „Strom und Wasser“, aber auch die rheinland-pfälzische Landesregierung beteiligten sich an einer Kundgebung auf dem Bahnhofvorplatz. Politiker wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), ihr Vorgänger Kurt Beck oder der in Kandel geborene CDU-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium Thomas Gebhart waren vor Ort, ebenso die Landesvorsitzenden der Linken und der Grünen, Katrin Werner und Josef Philip Winkler.

Roger Lewentz (SPD), rheinland-pfälzischer Minister des Innern und für Sport

Werner erläuterte bei einer Zwischenkundgebung die Strategie der Rechten und wandte sich gegen Versuche, den Protest gegen Rechts in einen antifaschistischen und einen bürgerlichen Teil zu spalten. Auch der „Antifa-Block ‚Eingreifen, wenn es wichtig ist'“, der nach eigenen Angaben 600 Anhänger zählte, beklagte später auf Internet-Seiten des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) eine „offene Entsolidarisierung des lokalen ‚Wir sind Kandel‘-Bündnisses“.

Die Polizei hielt mit etwa 1000 BeamtInnen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Lager am Samstag komplett getrennt. Protest in Hör- und Sichtweite der rechten Kundgebung gab es nicht. Die Polizei separierte auch weitgehend die antifaschistischen DemonstrantInnen von denen aus dem eher bürgerlichen Spektrum. Damit folgte sie nach unseren Informationen einer Anweisung des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Auch Ressort-Chef Roger Lewentz (SPD) war vor Ort.

Polizei moniert Vermummung

Die Polizei monierte nach eigenen Angaben schon unmittelbar nach Anreise der NazigegnerInnen auf dem Bahnhofsvorplatz „bei einer Gruppe aus dem linken Spektrum“ Vermummungen. Später hätten sie die Vermummung abgelegt und an der Versammlung teilnehmen können. Laut Polizei gab es auch einen Kabelschachtbrand an der Bahnstrecke zwischen Wörth und Kandel. Deshalb habe die Bahnstrecke von 14.40 bis gegen 16.35 Uhr gesperrt werden und ein mit Versammlungsteilnehmern besetzter Zug anhalten müssen.

Wegen „mehrerer gewalttätiger Angriffe des linken Spektrums“ hätten die Polizeibeamten Pfefferspray und Schlagstock zur Verteidigung eingesetzt. Drei Polizeibeamte seien dabei leicht verletzt worden, aber dienstfähig geblieben, heißt es im Abschlussbericht der Polizei. Fünf Personen seien vorläufig festgenommen worden.

Anzeige wegen Hitlergruß

Gegen einen Tatverdächtigen sei von Amts wegen Strafanzeige erstattet worden, da er den Hitlergruß zeigte. Nach der Demonstration am 3. März war von vielen kritisiert worden, die zahlenmäßig zu schwach aufgestellte Polizei habe Verstöße von Neonazis gegen das Vermummungs- und Alkoholverbot nicht geahndet und gewaltsame Übergriffe auf GegendemonstrantInnen nicht verhindert (siehe „Polizei ermittelt wegen Körperverletzung„). Solche Szenen waren am 24. März nicht zu beobachten.

Vier weitere Personen – wohl eher aus dem „linken Spektrum“ – müssen sich nach Polizeiangaben „wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Würfen mit Pyromaterial, Beleidigung und weiteren Delikten verantworten“.

Polizei stoppt Demonstration und setzt Pfefferspray ein

Gemeinderäte im Polizeikessel

Die Polizei kesselte nach einer Zwischenkundgebung etwa 250 DemonstrantInnen an der Ecke Dierbachweg und Bahnhofstraße für eine Stunde ein – unter ihnen auch eine Gruppe von Minfelder Gemeinderäten. Der Karlsruher Bundestagsabgeordnete der Linken Michel Brandt versuchte zu vermitteln, hatte aber keinen Erfolg.

Die DemonstrantInnen hatten sich zunächst dagegen gewehrt, ohne erkennbaren Grund auf der Bahnhofstraße in zwei Gruppen getrennt worden zu sein. Wenig später griff die Polizei ohne erkennbaren Grund die DemonstrantInnen mit Pfefferspray an. Als der Deomzug dann am Ende der genehmigten Route angelangt war und die Polizei ihn nicht weiter in Richtung der rechten Kundgebung ziehen ließ, flogen Böller und Flaschen in Richtung der Beamten.

Massiver Zugriff der Polizei nach Flaschenwurf

Ein Grund dafür war nicht erkennbar. Möglicherweise wollte jemand gezielt provozieren, was dann auch gelungen wäre: Die Polizei drang mit Schlagstock und Pfefferspray in die Demonstration ein, es gab Verletzte. Die wohl von einigen gewünschten Bilder gewaltbereiter Linker waren in der Welt.

„Die machen alles kaputt“, echauffierten sich Vertreter des bürgerlichen, aber auch Teile des antifaschistischen Lagers. Allerdings zeigten sich auch einige Anwohner solidarisch und versorgten verletzte DemonstrantInnen mit Wasser, das die Folgen des Pfefferspray-Einsatzes lindern sollte.

Platzverweis für ganz Kandel

Kennzeichnung durch Wasserflasche in der Brusttasche verdeckt

Die Polizei erteilte sämtlichen Teilnehmern der Kundgebung, die der Versammlungsleiter gut eine Dreiviertelstunde zuvor für beendet erklärt hatte, einen Platzverweis, und zwar gleich für ganz Kandel – eine Maßnahme, die rechtlich kaum haltbar sein dürfte. Die Beamten – aus Baden-Württemberg ohne, aus Rheinland-Pfalz mit individueller Kennzeichnung, die jedoch von einigen der Polizisten etwa durch Wasserflaschen in der Brusttasche verdeckt wurde – drängten die Demonstrantinnen unter Körpereinsatz in Richtung Bahnhof. Die Kennzeichnungspflicht von Polizisten soll die Identifizierbarkeit einzelner Polizisten im Einsatz gewährleisten.

Dort musste ein Großteil von ihnen noch eine Zeitlang warten, bis die AfD-AnhängerInnen abgereist waren. Erst dann konnten sie um 18 Uhr in einen Zug einsteigen. Eine kleinere Gruppe wurde von der Polizei eingekesselt. Die Beamten zogen – wohl aufgrund von Videoaufnahmen – einzelne DemoteilnehmerInnen zur Durchsuchung und zur Aufnahme ihrer Personalien heraus.

Aggressiv gegen Geflüchtete auf dem Marktplatz

Die Kundgebung des rechten Bündnisses „Kandel ist überall“ spielte sich auf dem Marktplatz ab. Angeblich ging es um den gewaltsamen Tod der 15-jährigen Mia, die vermutlich von ihrem früheren Freund, einem afghanischen Flüchtling, getötet wurde. Angemeldet hatte die Kundgebung die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum, die auch eine Ansprache hielt. Es traten mehrere weitere Redner auf, unter ihnen der rechte Aktivist und Blogger Michael Stürzenberger, der auch Bundesvorsitzender der rechtspopulistischen Kleinstpartei „Die Freiheit“ war.

Schon bei der Kundgebung am 3. März hatte sich das Zusammenspiel der AfD mit neonazistischen Organisationen gezeigt. Der Grundton auf dem Marktplatz war aggressiv gegen Geflüchtete und Politiker wie den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kandel Volker Poß (SPD) gerichtet. Die Parolen waren es ebenfalls. „Merkel ist noch an der Macht, gebt auf Eure Kinder Acht!“ (so stand es auf verteilten Zetteln) wurde etwa skandiert.

„Wir sind Kandel“ auf dem Bahnhofsvorplatz

Völlig gegensätzlich war die Stimmung bei der Kundgebung des überparteilichen Bündnisses „Wir sind Kandel“ auf dem Bahnhofsvorplatz. Es war ein Meer von Fahnen der Grünen, Jusos, Linken, der PARTEI, der Naturfreunde, des DGB oder von Attac zu sehen, hinzu kamen Luftballons und viele – zum Teil selbst gemalte – Schilder.

Zum Auftakt gab es Musik. „Wir wollen ein Zeichen setzen für ein friedliches, demokratisches, respektvolles Miteinander“, erklärte die Moderatorin: „Wir wollen klipp und klar deutlich machen, dass es in Kandel keinen Platz für rechte Aufmärsche und Parolen gibt.“

Gleichsetzung von Rechts und Links

Bürgermeister Günther Tielebörger

„Rassismus und Menschenhass gehören nicht nach Kandel“, bekräftigte auch Stadtbürgermeister Günther Tielebörger – um dann den Grundtenor einer Gleichsetzung von Links und Rechts zu setzen, wie sie sich auch in der Polizeitaktik niederschlug: „Wir lassen es nicht mehr zu, dass Kandel von extremistischen Gruppen, ob links oder rechts, missbraucht wird.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart äußerte sich ähnlich, nachdem er zunächst das Mitgefühl der Versammelten für die Angehörigen und Freunde der getöteten Mia zum Ausdruck gebracht hatte: „Radikale Parolen dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben – egal von wo sie kommen.“

Mitten in Europa

SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer

Großen Anklang fand die Ansprache der SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer. „Wir liegen hier im Herzen Europas, wir haben unsere Geschichte nicht vergessen, und wir werden immer aufstehen, wenn Rechte das Gedankengut von früher verbreiten wollen“, sagte sie. Diese Gesellschaft stehe für „Freizügigkeit, Offenheit, Toleranz, Menschlichkeit und Vielfalt“, fuhr sie unter Applaus fort.

Sie wollte auch nicht gelten lassen, dass es „besorgte Bürger“ seien, die mit der AfD und neonazistischen Gruppierungen demonstrieren: „Jeder muss für sich verantworten, mit wem er rummarschiert in einer Stadt.“ Weitere Redner waren der DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid, der evangelische pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad und der Generalvikar des Bistums Speyer Franz Jung.

Kandel kommt nicht zur Ruhe: nächster rechter Aufmarsch angekündigt

Bereits für den 7. April haben Rechte eine weitere Demonstration in Kandel angekündigt. Der Protest dagegen wird nicht ausbleiben.

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Fotos von der rechten Demonstration

Erinnern heißt handeln

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Erinnern heißt handeln

Von Alfred Denzinger und Anne Hilger – Stuttgart. Es war eine würdiger Akt, als sich am Gedenkstein für die von den Nazis ermordete Widerstandskämpferin Lilo Herrmann etwa achtzig AntifaschistInnen versammelten. Bei der Kundgebung auf dem Gelände bei der Uni Stuttgart am Mittwoch, 20. Juni, wurde an den 80. Todestag der 1938 hingerichteten Kommunistin erinnert. Die RednerInnen thematisierten das Wirken der mutigen jungen Antifaschistin, die in Stuttgart studierte. Die musikalische Umrahmung gestaltete Werner Grimm von der VVN-BdA. Zum Abschluss legten die TeilnehmerInnen einen Kranz und rote Nelken zur Erinnerung an Lilo Herrmann nieder und sangen gemeinsam das Lied von den Moorsoldaten.

Lilo Herrmann wurde 1909 geboren. Sie war Studentin der technischen Hochschule Stuttgart und kämpfte als junge Mutter gegen die Nazis. Sie wurde im Dezember 1935 verhaftet, 1937 vom “Volksgerichtshof” zum Tod verurteilt und kurz vor ihrem 30. Geburtstag zusammen mit Stefan Lovász, Josef Steidle und Artur Göritz in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Initiator war der Stadtjugendring

Am 20. Juni 1988, ihrem 50. Todestag, stellte der Stadtjugendring Stuttgart den von den Bildhauern Herbert Goeser und Joachim Sauter geschaffenen Gedenkstein auf. Daran war auch die  VVN-BdA beteiligt.

Die Uni Stuttgart zeigte sich in den späten Achtzigern alles andere als begeistert von dem Gedenkstein für ihre kommunistische Studentin. Sie konnte ihn jedoch nicht verhindern, da er auf Landesgelände stand. Inzwischen hat die Universität ihr Archiv ausgewertet und weite Teile ihrer Geschichte im deutschen Faschismus aufgearbeitet. Die Archivare stießen auch auf neue Quellen über Lilo Herrmanns Verbindungen zur TH Stuttgart nach 1933. Die Haltung der Hochschule zu der Widerstandskämpferin hat sich verändert.

Seit ihrer Schulzeit Kommunistin

Die Widerstandskämpferin wuchs gut behütet in einem bürgerlichen Elternhaus auf. Ihr Vater war Ingenieur. Die Familie zog mehrfach um. Die Tochter wurde in Frankfurt politisiert und schloss sich in Wilmersdorf dem Sozialistischen Schülerbund an.

Von 1929 bis 1931 studierte sie an der TH Stuttgart Chemie. Gleichzeitig setzte sie ihre politische Arbeit fort. 1930 wurde sie wegen Verteilens eines Flugblatts zu einer Geldstrafe verurteilt. Später zog Lilo Herrmann wieder nach Berlin und studierte Biologie. Nachdem sie von der Hochschule verwiesen worden war, schlug sie sich als Kinderpflegerin durch.

Ihr Sohn wuchs bei den Großeltern auf

Am 15. Mai 1934 brachte sie ihren Sohn Walter zur Welt. Den Namen seines Vaters behielt sie für sich. Er wurde erst 1991 bekannt: Es war der Stuttgarter KPD-Funktionär Fritz Rau, der noch vor der Geburt seines Kindes 1933 im Gefängnis Moabit totgeschlagen wurde. Lilo Herrmann arbeitete im Büro ihres Vaters und für den geheimen Nachrichtenapparat der KPD.

Sie behielt immer einen Bezug zu Stuttgart. Ihr Kontaktmann war Adolf Butz. Das jedoch fanden die Nazis nie heraus. Er betonte später immer wieder, sein Leben ihrem Schweigen zu verdanken. Butz gehörte 1947 zu den Gründern der VVN in Stuttgart. Er starb 1975.

Rote Nelken und „Moorsoldaten“ zur Erinnerung

Zu den bewegendsten Momenten der Gedenkveranstaltung gehörte die Niederlegung eines Kranzes und der zahlreichen roten Nelken, sowie das gemeinsame Singen des Moorsoldatenliedes.

Menschlichkeit hat kein Parteibuch

Lothar Letsche, VVN-BdA

Lothar Letsche von der VVN-BdA wies in seiner eindrücklichen Rede darauf hin, man wisse aus den Verhörprotokollen der Nazis, dass Lilo sich sehr tapfer verhalten und niemand verraten habe. Die Widerstandskämpfer Adolf Butz und Erwin Petermann seien ihr Leben lang davon überzeugt gewesen, dass Lilos Schweigen ihnen Schlimmstes erspart habe, vielleicht sogar ihr Leben gerettet habe. Letsche erinnerte an eine Aussage des früheren Ersten Bürgermeisters der Stadt Stuttgart, Dr. Rolf Thieringer (CDU), der sein Vorwort in einer VVN-Broschüre im Jahr 1989 mit folgenden Worten abschloss:

„Lilo Herrmann ist wegen ihrer politischen Zugehörigkeit im Mosaik des deutschen Widerstands für manche unbequem – aber entscheidend sind ihre Gesinnung und Haltung, aus moralischer und menschlicher Substanz heraus für die Sache der Menschlichkeit das Leben zu wagen. Nicht Lilo Herrmanns Zugehörigkeit zu kommunistischen Gruppierungen ist entscheidendes Kriterium, sondern ihr glaubwürdiges, unerschütterliches Bekenntnis zur Verantwortung für Menschlichkeit und Frieden. Menschlichkeit hat kein Parteibuch, sie ist die Würde des Menschen. Lilo Herrmann hat dafür ein großes Beispiel gegeben.“

Letsche wies am Ende seiner Rede auf eine bevorstehende Veranstaltung hin: „Ich möchte euch alle auch sehr herzlich einladen zu dem Vortrag, den ich am kommenden Dienstag 26. Juni, um 19 Uhr halten werde“. Die Veranstaltung findet im Stadtarchiv Stuttgart, Bellingweg 21, statt. Thema: „Lilo Hermann – Kontroversen und neue Erkenntnisse über eine hingerichtete Widerstandskämpferin.“

Die vollständige Rede von Lothar Letsche kann hier nachgelesen werden.

Damals wie heute: antifaschistisch leben, handeln, kämpfen

Die Rednerin vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region – AABS – erinnerte daran, wie wichtig es sei, „den Kampf weiterzuführen, da sich an den gesellschaftlichen Verhältnissen wenig geändert hat.“ Von Lilo Herrmann könne man auch lernen, den Widerstand selbst zu organisieren und sich dabei nicht allein auf den Staat zu verlassen. Man müsse selbstbestimmt Handeln und den rassistischen und faschistischen Bestrebungen eine Gesellschaft entgegensetzen und aufbauen, die auf Solidarität und Befreiung beruhe. Genau dafür habe auch Lilo Hermann gekämpft, so die junge Antifaschisten des AABS. „Damals wie heute antifaschistisch leben, handeln, kämpfen. Erinnern heißt kämpfen!“ Den kompletten Redebeitrag des AABS gibt´s hier.

Man sieht sich … auf der Straße

Janka Kluge, VVN-BdA

Die Moderation übernahm Janka Kluge. Sie erklärte, Antifaschismus bedeute auch, sich „im Heute zu engagieren“. Dazu gehöre auch, dass man über aktuelle Termin informiert sei. In diesem Zusammenhang wies sie auf die bevorstehenden Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag in Augsburg hin, der am Wochenende 30. Juni/1. Juli stattfindet. Auch von Stuttgart aus würde ein Bus nach Augsburg fahren. Karten gibt es im Linken Zentrum Lilo Herrmann. Kluge beendete die Kundgebung mit den Worten: „Bleibt aktiv, bleibt engagiert. Wir sehen uns wieder – auf der Straße, oder bei entsprechenden Veranstaltungen“.

Weitere Redebeiträge gab es von der Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit (Die Linke) und vom Linken Zentrum Lilo Herrmann in Stuttgart-Heslach, das am Rand der Gedenkveranstaltung einen Infotisch aufgebaut hatte.

Die Kundgebung wurde von der VVN-BdA und der Hausgruppe des Linken Zentrums Lilo Herrmann organisiert.

Weitere Bilder des Tages

AfD darf Klima nicht weiter vergiften

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AfD darf Klima nicht weiter vergiften

Von unseren ReporterInnen – Kornwestheim. Die Polizei hielt beide Seiten strikt getrennt, vereitelte am Morgen auch den Versuch, die Zufahrt zu der mit Hamburger Gittern abgesperrten Kundgebung der Rechten zu blockieren: 120 bis 140 Menschen beteiligten sich am Samstag, 7. Juli, am Protest gegen eine AfD-Kundgebung auf dem Kornwestheimer Marktplatz. Die Rechtsaußen-Partei will den Neubau einer Moschee der türkisch-islamischen Gemeinde verhindern. Die Protestierenden werfen der AfD vor, gegen Muslime zu hetzen. Bei der von etwa 100 Personen besuchten AfD-Kundgebung gab es Übergriffe auf eine ZDF-Journalistin mit türkischen Wurzeln. Die Polizei berichtet von einem „weitgehend friedlichen“ Geschehen.

Die angegriffene Journalistin gehörte zu einem Team des ZDF, das Aufnahmen für eine Dokumentation machte. Die Journalistin wurde als einzige von AfD-Anhängern angegangen, weggestoßen und betatscht. Keine Frage für sie, dass die Anfeindungen mit ihrer türkischen Herkunft zusammenhängen. Sie suchte und erhielt Schutz von der Polizei. Die BeamtInnen begleiteten sie und garantierten so die Pressefreiheit – leider eine absolut nicht selbstverständliche Situation.

Auf der anderen Seite der Hamburger Gitter eröffnete und moderierte Friedhelm Hoffmann, früherer Stadtrat der Linken, die Protestkundgebung. Aufgerufen  hatte ein breites Bündnis. Die AfD spreche von „Islamkritik“, sagte Arne Eckstein von der Grünen Jugend, versuche aber in Wirklichkeit, „mit stumpfen Parolen ein Klima der Angst zu schaffen und unsere Gesellschaft zu spalten“.

„Natürlich müssen wir uns auch mit Ditib kritisch auseinandersetzen“ stellte Eckstein klar. Der Religionsverband stehe „dem türkischen Religionsministerium in Ankara nahe – und damit einer Regierung, „die die Pressefreiheit mit Füßen tritt, Oppositionelle und Journalisten ins Gefängnis wirft, LGBTQ-Menschen verfolgt und für tausende zivile Opfer und zehntausende Vertriebene in Nordsyrien verantwortlich ist.“

AfD und Ditib unterscheide jedoch nur wenig. Beide stünden „für ein reaktionäres und totalitäres Weltbild“. Auch Antisemitismus finde sich in beiden Organisationen. „Lasst uns gemeinsam einstehen für Toleranz, Solidarität und Mitmenschlichkeit“, so der Appell von Eckstein.

David Schwarz, Jusos

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgte das AABS Stuttgart: Widerstand gegen die AfD, Kritik aber auch am Islamverband Dtib – wobei Erdogan und Dtib „Brüder im Geiste“ seien. David Schwarz von den Jusos warnte eindrücklich vor der AfD. Sie sei nicht gefährlich, weil sie im Bundestag mit 15 Prozent der Stimmen so viel ausrichten könne – sondern „weil sie den restlichen 85 Prozent erzählt, dass der rassistische Unsinn, den sie verbreitet, die Mehrheitsmeinung sei.“

Die AfD manipuliere das Denken in der Politik. Die eigentliche Gefahr sei nicht, dass sie Volkspartei werde, „sondern dass sie die Stimmung so weit nach rechts verschiebt, dass es egal ist, ob man AfD, CDU oder CSU wählt“.

„Antifaschismus ist Solidarität mit geflüchteten Menschen“, stellte Oli Kube klar, Ökolinx-Stadtrat aus Ludwigsburg. Dort stieg am Nachmittag das Festival „Mut gegen Rechts“ (wir berichteten). Herbert Würth vom Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim, „seit jeher Antifaschist“, reihte sich in den Protest gegen die AfD ein. Ihn treibe besonders um, was die CSU im Vorfeld der Bayern-Wahl an Rechtsradikalismus und Ausländerhetze entwickle, sagte er.

Martin Hess (links), AfD

Das Original war jenseits der Hamburger Gitter zu sehen. „Wir wollen keine Islamisierung“, rief der Bundestagsabgeordnete Martin Hess rund 100 Anhängern zu – gerade so, als ob eine solche drohe. Prof. Lothar Maier, ebenfalls Bundestagsabgeordneter der AfD,  begrüßte „den demokratischen Sektor“, dem er einen angeblich undemokratischen Sektor von AntifaschistInnen entgegen zu setzen versuchte. Als er sich an die „Bürger von Kornwestheim“ wandte, wurde allerdings klar, dass sich kaum jemand von diesen Bürgern in die Reihen der AfD eingereiht hatte. Als weiterer Redner trat der „Islamkritiker“ Hans-Michael Höhne-Pattberg auf.

Ein rechter Provokateur, der innerhalb der antifaschistischen Kundgebung für einen kurzen Tumult sorgte und von uniformierten Beamten aus der Kundgebung entfernt wurde, tauchte plötzlich in den Reihen der Polizei wieder auf. Zu welcher „Provokateur-Truppe“ er letztendlich gehört blieb offen.

Nach Abschluss der beiden Kundgebungen zogen die AfD-GegnerInnen in einer Spontandemo mit rund 80 TeilnehmrInnen zum Bahnhof. „Rassistisch, sexistisch, neoliberal – AfD, Partei des Kapitals“, wurde etwa skandiert – ebenso „Schulter an Schulter, gegen Rassismus“ und „Wer schweigt, stimmt zu – lasst Rassisten nicht in Ruh“. Für den 21. Juli hat die AfD eine erneute Veranstaltung in Stuttgart-Vaihingen angekündigt. Der Protest dagegen formiert sich bereits.

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Die Mär der Behörden offenlegen

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Die Mär der Behörden offenlegen

Von Andreas Scheffel – Stuttgart. NSU, Mord und Terror beim Namen nennen: Viele sehen das Urteil im  NSU-Prozess als klares Zeichen der Justiz gegen rechte Gewalt, Mord und Terror. AntifaschistInnen aus Stuttgart werfen dagegen der Justiz und den Ermittlungsbehörden ein eklatantes Versagen vor. Sie riefen am 11. Juli, dem Tag der Urteilsverkündung, zu einer Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz auf. Etwa 150 AktivistInnen folgten dem Aufruf.

Mit Plakaten und Bannern versammelten sie sich auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Eine Installation am Rand der Kundgebung, sollte die Verstrickungen des Vefassungsschutzes und seiner V-Leute rechen aufzeigen.

Der Skandal muss aufgeklärt werden

Die AktivistInnen beharrten darauf, dass die Aufklärung nach dem Prozess weitergehen müsse – sei es auf juristischer oder gesellschaftspolitischer Ebene. Juristisch arbeiteten Menschen wie der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler hart an einer Aufklärung. Solche Bemühungen – sei es von Einzelpersonen oder von Verbänden und Organisationen – müssten weitergehen. Dieser Skandal dürfe nicht einfach aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden, sagte ein Redner.

Drohungen gegen AntifaschistInnen

Götz Schubert hat fast keinen Sitzungstermin des NSU-Untersuchungsausschusses von Baden- Württemberg ausgelassen. Er informierte über seine Beobachtungen. Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano von der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus prangerte den Rechtsruck der Gesellschaft an. Er betrachtet den Ausgang des NSU-Prozesses als Skandal und gab Einblicke in die ständigen Bedrohungen, denen er ausgesetzt ist. Er werde jedoch weiter gegen Rassismus eintreten und nicht vor Neonazis und Rassisten zurückweichen.

Janka Kluge, Geschäftsführerin des VVN-BDA Baden-Württemberg

Janka Kluge, Geschäftsführerin des VVN-BDA Baden-Württemberg, ging in ihrer Rede chronologisch vor. Der Verfassungsschutz habe die Gefahr durch den NSU „sträflich ignoriert“ und gänzlich abgewiegelt, wenn im Innenausschuss nach dem V-Mann „Corelli“ gefragt wurde. Kluge forderte weitere Aufklärung über die Verstrickungen der Behörden und der V-Männer im Umfeld des NSU. Das sei man den Hinterbliebenen des NSU-Terrors schuldig. Zum Abschluss der Kundgebung sprach eine Vertreterin des AABS (Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region).

Keine Schlussstrichmentalität

Alexander Maier, Landtagsabgeordneter der Grünen

Alexander Maier, baden-württembergischer Landtagsabgeordneter der Grünen und stellvertretendes Mitglied im Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus/NSU BW II“, hatte schon am Vormittag im Landtag zum Ausgang des NSU-Prozesses Stellung genommen: „Die Rolle des rechten Unterstützerumfeldes konnte sowohl beim Münchner NSU-Prozess als auch beim NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg nicht in einem wünschenswerten Umfang aufgearbeitet werden“, sagte der Politiker. Er forderte, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus entschlossen fortgesetzt wird. Die Gesellschaft dürfe nicht in eine Schlussstrichmentalität verfallen.

 

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Entschieden gegen rechte Gewalt

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Entschieden gegen rechte Gewalt

Symbolbild

Stuttgart. Nach den Pogromen in Chemnitz am Sonntag und Montag gibt es am Mittwoch, 29. August, um 18 Uhr eine spontane Solidaritäts-Kundgebung auf dem Marienplatz in Stuttgart.

Am 26. und 27. August gab es in Chemnitz pogromartige Ausschreitungen von bis zu 5000 Nazis, AfD-lern und rechten Hooligans. Ein 35-jähriger Mann wurde auf dem Stadtfest erstochen. Daraufhin brachten AfD und andere Organisationen am Sonntag, 26. August, 800 Neonazis in die Chemnitzer Innenstadt. Nach rassistischen Hetzreden machten sie sich nach Medienberichten auf, jagten wahllos MigrantInnen durch die Stadt und schlugen sie zusammen.

Nur einen Tag später, am Montag, 27. August, kündigten Neonazis eine erneute Demo an, zu der sie bundesweit aufriefen. In nur 24 Stunden schafften sie es, etwa 5000 Anhänger zu mobilisieren. An der Demo beteiligten sich AfD-ler, sogenannte „Identitäre“, Nazihooligans und Neonazis aller Couleur.

Quelle: Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region

„Neu dabei ist der vollkommene Verlust von Berührungsängsten von sogenannten ‚patriotischen Bürgern‘ oder auch AfD-Funktionären mit militanten Faschisten zu marschieren und diese ganz direkt für die Durchsetzung ihrer politischen Positionen auch auf der Straße zu nutzen“, heißt es in dem Aufruf des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) zu der Kundgebung in Stuttgart: „Was bisher zwar indirekt die ganze Zeit geschah (AfD hetzt, Nazis zünden Geflüchteten-Unterkünfte an, rechte Bürger applaudieren, die CDU macht die Grenzen dicht und schiebt ab…), aber stets mit Distanzierungen der scheinbar ‚gemäßigten“ Kräfte‘ von Nazigewalt verbunden war, ging dort ganz offen und direkt vonstatten.“

Symbolbild

Als die Demonstration vorbei war, waren in der gesamten Stadt Gruppen von bis zu 200 Neonazis unterwegs, die Jagd auf Linke und MigrantInnen machten. Die Presse habe im Nachgang die wenigen Versuche, sich gegen die Faschisten zu verteidigen, als linksextreme Gewalt bezeichnet, wird in dem Aufruf kritisiert. „Der Aufschrei der Presse und der Politik über die Vorfälle in Chemnitz wirken wie ein schlechter Witz; weiß doch jeder, dass in Sachsen eine extrem große und militante faschistische Szene existiert und jeden Montag beispielsweise in Dresden zu hunderten bei Pegida durch die Straßen zieht und die AfD mit ihrem faschistischer Flügel um Höcke alles daran setzt, die rechten und nazistischen Kräfte zu bündeln.“

Die Vorfälle in Chemnitz hätten gezeigt, wie wichtig es ist, sich zusammenzuschließen, zu organisieren und auf derartige Mobilisierungen der Nazis geschlossen und koordiniert zu reagieren. Auch in Stuttgart würden die Neonazis immer stärker und selbstbewusster. Es sehe so aus als ob die Vorfälle eine neue Qualität an rechter Militanz und Selbstbewusstsein ausgelöst hätten. So gab es direkt am Dienstag in mehreren deutschen Städten Naziaufmärsche.

Polizei stoppt Spontandemo

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Polizei stoppt Spontandemo

Polizei stoppt antifaschistische Spontandemo

Stuttgart. Nach den Pogromen in Chemnitz kamen am Mittwoch, 29. August, etwa 300 DemonstrantInnen zu einer Solidaritäts-Kundgebung unter dem Motto „Dem rechten Mob keinen Meter“ auf dem Stuttgarter Marienplatz zusammen. Anschließend beteiligten sich etwa 150 Menschen an einer Spontandemonstration durch die Tübinger Straße in Richtung Rotebühlplatz. Sie wurde von der Polizei gestoppt. Ein Beamter schlug mit der flachen Hand in Richtung des Kopfes der Landesgeschäftsführerin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Janka Kluge und packte sie an den Haaren. Er beschuldigte sie, einen Kollegen angegriffen zu haben.

Janka Kluge war zuvor auch am frühen Mittwochabend neben weiteren Rednern auf dem Marienplatz aufgetreten (siehe Video unten). Die Kundgebung gegen rechte Gewalt begann um 18 Uhr. Nach einer Dreiviertelstunde wurde sie beendet, und die Spontandemonstration setzte sich in Bewegung in Richtung Rotebühlplatz.

Nach einigen hundert Metern wurde eine Rauchfackel gezündet, und die Polizei begann, die Demonstration zu filmen. Bis dahin war die Situation entspannt. PolizistInnen begleiteten den Zug ohne Helm. Die Rauchfackel war längst aus, als sich die BeamtInnen den Demonstrierenden plötzlich in den Weg stellten. Die Demonstration bog vor der Polizeikette nach links ab, wo ihr jedoch eine weitere Polizeiformation entgegen kam.

Mit Pfefferspray und Schlagstock gegen AntifaschistInnen

Ein Polizist hatte bereits Pfefferspray gezückt. BeamtInnen versuchten, DemonstrantInnen Transparente zu entreißen und drohten mit dem Schlagstock. Ein Polizist fiel besonders auf. Er schlug mit dem Schlagstock und drohte mit Pfefferspray (siehe Video unten). Die Angegriffenen skandierten: „Wo, wo, wo wart ihr in Chemnitz?“.

Der Demozug wich zurück, begab sich wieder in die Tübinger Straße und wurde von einer Polizeikette mit zwei Reihen weiter zurückgedrängt. Eine Demonstrantin wurde von einem Beamten regelrecht durch die Luft geworfen (siehe Video unten). Die Demonstration zog dennoch weiter, wurde aber kurz vor Erreichen des Rotebühlplatzes endgültig gestoppt.

Polizist schlägt in Richtung des Kopfes der Landesgeschäftsführerin der VVN-BdA

In dieser Situation erfolgte der Schlag gegen Janka Kluge, von dem ein anderer Polizist seinen Kollegen vergeblich zurückzuhalten versuchte (siehe Video unten). Der Polizist packte sie anschließend an den Haaren, lief dann jedoch weg und wies einen Kollegen an zu filmen. Sie hätte einen Polizisten angegriffen, erklärte der Beamte.

Die DemonstrantInnen machten kehrt und gingen zurück in Richtung Marienplatz. Unter der Marienbrücke wurde die Demonstration von den AntifaschistInnen aufgelöst.


Kommentar: Die Stuttgarter Polizei und die Grundrechte


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Polizeihund verletzt linken Demonstranten schwer

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Polizeihund verletzt linken Demonstranten schwer

Ein Polizeihund, der ohne Maulkorb eingesetzt wurde, verletzte einen linken Demonstranten schwer. – Foto: privat

Von unseren ReporterInnen – Kandel. Es war ein Tag mit Licht und Schatten. Im rheinland-pfälzischen Kandel war am Samstag, 6. Oktober, ein breites Bürgerbündnis geeint auf der Straße. In deutlicher Überzahl setzte es sich dagegen zur Wehr, dass die Stadt als Bühne für rassistische Hetze missbraucht wird. Sein ohrenbetäubender Protest bewirkte, dass die eher schwach besuchte Kundgebung des so genannten Frauenbündnisses Kandel um Marco Kurz ohne Außenwirkung blieb. Die Polizei agierte insgesamt umsichtig, gebrauchte aber dennoch Schlagstock und Pfefferspray. Ein Polizeihund, der ohne Maulkorb eingesetzt wurde, verletzte einen linken Demonstranten schwer. 

Der Mann erlitt tiefe Biss- und Kratzwunden am linken Oberarm und rechten Oberschenkel. Er wird eine Zeitlang im Krankenhaus bleiben müssen. Insgesamt betreute die Demo-Sanitätsgruppe Südwest am Samstag sechs Verletzte. Zwei von ihnen mussten in die Klinik: der eine wegen der Hundebisse, ein weiterer mit einer Kopfplatzwunde.

twitter-Screenshot

Die Polizei berichtet von drei leicht verletzten Polizisten und „einigen Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten“. Der Karlsruher Bundestagsabgeordnete der Linken Michel Brandt informierte über Twitter unter dem Stichwort „Irrsinn in #Kandel“ darüber, dass ihm der Polizeieinsatzleiter trotz seines Abgeordneten-Status mit Schlägen gedroht und versucht habe, ihm sein Handy zu entreißen.

Etwa 500 DemonstrantInnen gegen rechte Hetze

Marco Kurz, Versammlungsleiter der Rechten

Nach Polizeiangaben waren am Samstag 700 Menschen in Kandel auf der Straße: 300 bei der Demonstration des rechten „Frauenbündnisses Kandel“ und 400 bei fünf Protestversammlungen an verschiedenen Orten der Stadt. Wir schätzen die Reihen der GegnerInnen des „Frauenbündnisses“ auf etwa 500 und die Zahl von dessen Anhängern auf knapp 250 – auf jeden Fall weit weniger als jene 750 bis 800, die der Veranstalter erwartet hatte.

Marco Kurz klagte durchs Mikrofon darüber, dass vier Busse mit seinen Anhängern nicht zum Kundgebungsplatz durchgedrungen seien. Allerdings hat niemand die Fahrzeuge gesehen, und es schrieb sich auch keine Antifa-Gruppe auf die Fahnen, die Ankunft der Busse verhindert zu haben. Auch die Polizei erklärte auf Nachfrage unsererseits, dass sie nichts von der Existenz der Busse wisse. Die Busse existierten offenbar nur in der Phantasie von Kurz.

Laut Polizei handelte der Hund sozusagen in Notwehr

Foto: privat

Von der Vorgeschichte der Hundebisse gibt es unterschiedliche Versionen. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS) teilte mit, ein Polizist habe den Hund von der Leine gelassen, als zwei Demonstranten von der Blockade unmittelbar bei der rechten Kundgebung über einen Parkplatz zum Hotel zum Rössel zurückkehren wollten. Der Hund habe einen der beiden angefallen und mehrfach gebissen – auch als der Mann bereits am Boden lag. Der Hundeführer und seine Kollegen hätten keine Anstalten gemacht, den Hund zurückzuziehen, sondern ihn noch weitere Male zubeißen lassen.

Nach Polizeiangaben wollten dagegen „zwei Personen des linken Spektrums am Sparkassenplatz eine Absperrung durchbrechen“. Der Nebensatz in der Pressemitteilung der Polizei lässt aufhorchen: „anschließend griff eine der beiden Personen einen Diensthund der Polizei an und wurde von diesem gebissen.“ Einem Bericht der Rheinpfalz zufolge soll der Demonstrant laut Polizeiangaben den Hund in den Schwitzkasten genommen haben.

Linker Demonstrant wurde zu Boden gebracht

Es scheint kaum vorstellbar, dass jemand einen großen, abgerichteten Diensthund ohne Maulkorb angreift. Wir fragten am 7. Oktober die Pressestelle der Polizei per E-Mail nach dem genauen Hergang und erhielten am Montag, 8. Oktober, kurz nach 16 Uhr eine Mail: „Nach Prüfung des Sachverhaltes werden wir Ihnen eine Antwort zukommen lassen.“ Wir werden baldmöglichst weiter berichten.

Es gibt auch Video- und Bildmaterial von der Festnahme des auf dem Boden liegenden Demonstranten durch mehrere Polizeibeamte. Es zeigt, dass der Hundeführer den Hund erst nach geraumer Zeit von seinem am Boden liegenden, von mehreren Beamten festgehaltenen Opfer abbringen und die Kontrolle über das außer Rand und Band geratene Tier zurückerlangen konnte, oder wollte.

Dass ein Polizist bei einer Demonstration einen Hund ohne Maulkorb mitführt, sahen wir bei unserer langjährigen Tätigkeit zum ersten Mal. Bereits lange vor dem Hundeangriff fiel unseren Fotografen ein Polizeihund ohne Maulkorb im Dierbachweg auf (siehe nachstehende Fotos).

Demo-Sanitäter protestieren gegen Behinderung ihrer Arbeit

Demosanitäter im Einsatz – Archivbild

Die Demo-Sanitätsgruppe Südwest, die am Samstag im Auftrag des Veranstalters von „Kein Platz für rechte Hetze“ im Einsatz war, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei, aber auch gegen die Besatzung eines Einsatzwagens des Roten Kreuzes. Der Gebissene sei unnötig lang mit auf den Rücken gefesselten Händen von mehreren Polizisten gegen ein Einsatzfahrzeug der Polizei gedrückt worden, obwohl er vor Schmerzen wimmerte und um Hilfe flehte.

Ein Krankenwagen des Deutschen Roten Kreuzes Kandel habe sich bereits vor Ort befunden, als ein Demosanitäter eintraf. Er sei von den Polizisten vor Ort, aber auch vom Team des Krankenwagens „massiv verbal angegangen“, seine Einsatzberechtigung und fachliche Kompetenz angezweifelt worden. „Währenddessen konnte ich sehen, wie sich der Patient im Krankenwagen weiter vor Schmerzen krümmte und seine Fesseln trotzdem nicht gelöst wurden“, berichtet der Demosanitäter. Die Polizei habe ihn dann des Platzes verwiesen, obwohl er „mutmaßlich die höchst ausgebildete Sanitätskraft vor Ort war und der Patient ausdrücklich eine Behandlung durch mich wünschte“.

„Hundebisse sind sehr gefährlich“

Gefährliche Verletzungen – Foto: privat

Der Gebissene habe sich schließlich selbst aus der Behandlung des Roten Kreuzes entlassen, da sich dessen Team über ihn und seine Verletzungen lustig gemacht habe. Der Demosanitäter berichtet auch über Behandlungsfehler. Er zeigte sich von dem Vorfall überrascht, da „wir normalerweise sehr gut mit den Kollegen des Roten Kreuzes zusammenarbeiten“.

Der Demo-Sanitätsdienst kritisiert generell den Einsatz von Hunden am Rand von Demonstrationen: „Die Tiere werden hier extremen Stresssituationen ausgesetzt und ihre Reaktionen sind nicht vorhersehbar.“ Bisswunden seien nicht nur wegen der Schwere der Verletzungen, sondern auch aufgrund der Infektionsgefahr durch Keime im Maul des Tieres sehr gefährlich. Dass in Kandel ein Polizeihund ohne Maulkorb eingesetzt wurde, sei „zumindest eine große Fahrlässigkeit, die schwere Verwundungen bewusst in Kauf nimmt“.

Mündlicher Bescheid verbaute den Rechtsweg

Die Kundgebungen und Demonstrationen in Kandel unter dem Motto „Kein Platz für rechte Hetze“ hatten um die Mittagszeit begonnen. Am Bahnhof versammelte sich das Bündnis „Kandel gegen Rechts“, dem auch eine Reihe antifaschistischer und linker Organisationen angehören. Das Bündnis hatte einen zehnseitigen Bescheid mit Auflagen erhalten, die zum Teil in der Praxis nicht einzuhalten waren – etwa die, dass Seitentransparente höchstens 1,50 Meter lang sein dürften.

Der Anmelder ging juristisch gegen die Auflagen vor. Das Gericht wies den Einspruch kurzfristig zurück, allerdings – nach eigenen Angaben mangels Schreibkraft – nicht schriftlich, sondern nur telefonisch. Dadurch blieb dem Anmelder die Möglichkeit, in die nächste Instanz zu gehen, verbaut.

„Unsägliche Aufmärsche von Rechts“

Dennis Nitsche, Bürgermeister von Wörth

Dennis Nitsche, Bürgermeister von Wörth, eröffnete die Reihe der Ansprachen. Er freue sich, dass der Bahnhofsvorplatz voll geworden sei: „Herzlich willkommen der Antifa, den Linken, den Grünen und meiner SPD.“ Die „unsäglichen Aufmärsche von Rechts“ nach dem gewaltsamen Tod der 15-jährigen Mia, für den das Landgericht Landau einen vermutlich aus Afghanistan stammenden Flüchtling wegen Mordes und Körperverletzung verurteilt hat, jährten sich bald. „Wir wollen die nicht, nicht in Kandel und nicht in der Region“, stellte Nitsche klar.

Alle Demokraten müssten zusammenstehen um zu verhindern, dass die Rechten „Kandel zum neuen Dresden“ machen. Nitsche wies auf die zahlreichen Opfer rechter Straftaten hin: „Die eigentliche Bedrohung für die Sicherheit kommt nicht von Linken, nicht von Flüchtlingen, sie kommt von Rechts“, stellte er klar.

„Antifaschist und Demokrat“

Nitsche sprach später noch bei der Versammlung des Bündnisses „Wir sind Kandel“ vor der Verbandsgemeindeverwaltung. Ebenso der SPD-Landtagsabgeordnete Alexander Schweitzer. „Ich bin Antifaschist, weil ich Demokrat bin“, bekannte er auf dem Platz vor dem Bahnhof. Es sei wichtig, sich gegen all jene zu wehren, „die die Gesellschaft kaputt machen“ und spalten wollten. Er rief dazu auf, „friedlich, demokratisch und solidarisch“ zusammenzustehen für eine Welt, in der Herkunft, Hautfarbe und Religion keine Rolle spielten. Er wünsche sich jedoch, dass „alle, die in Sonntagsreden vor Extremismus warnen“, ebenfalls nach Kandel kommen.

Als nächster sprach Nico De Zorzi von der „Partei“. Sie war beim Protest vor dem Bahnhof stark vertreten, hatte ein „Volksbingo“ und eine Mahnwache „Demokratie in Maaßen“ am Kreisverkehr angemeldet. „Hass macht nicht schön“, eröffnete der Vertreter der Partei seine Rede. Er zitierte einen Eintrag des „Frauenbündnis“-Initiators Marco Kurz auf Facebook: „Wir sind nicht rechts, wir sind einfach nur verantwortungslose Menschen“ –  ein bezeichnender Schreibfehler. Der Redner schloss mit einer Betrachtung, was das „Frauenbündnis Kandel“ in den letzten zehn Monaten erreicht habe. Es folgte gähnende Stille.

„Aufmärsche bereiten Boden für rechte Gewalt“

Die Moderatorin Sarah Boos von „Kandel gegen Recht“ (KgR) dankte dem Antifaschistischen Aktionsbündnis Karlsruhe für die Demo-Anmeldung und die Organisation. „Die Errungenschaften der Zivilgesellschaft sind bedroht, wenn wir uns dem nicht entgegenstellen“, warnte dessen Sprecherin. Der Widerstand gegen Hetze und Menschenfeindlichkeit sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie erinnerte an Neonazi-Aufmärsche, etwa zum so genannten „Tag der deutschen Zukunft“, in Karlsruhe: „Die bittere Erfahrung ist: Mit jedem gelungenen Aufmarsch bereiten sie den Boden für weitere rechte Gewalt“.

Sie erinnerte daran, dass es in Karlsruhe jedoch durch „entschiedenes gemeinsames Auftreten“ auch große Erfolge gegeben habe. „Wir verwahren uns dagegen, dass dieser entsetzliche Mord für rassistische Propaganda und Hetze missbraucht wird“, stellte sie klar: „Wir alle und besonders wir Frauen brauchen keinen Schutz von Rassisten und lassen uns nicht instrumentalisieren.“ Man kämpfe vielmehr gemeinsam für eine offene Gesellschaft.

Demo-Stopp vor dem Hotel Rössel

Vor dem Bündnis „Wir sind Kandel“ auf dem Platz vor der Verbandsgemeinde sprachen auch Lukas Hartmann vom Landesvorstand der Grünen und Rüdiger Stein vom DGB Regionsgeschäftsführer Vorder- und Südpfalz. Der Demozug vom Bahnhofsvorplatz aus wurde von der „Kurfürstlich Kurpfälzischen Antifa“ angeführt. Auch Grüne und Anhänger verschiedener SPD-Arbeitsgemeinschaften reihten sich ein. Die Demo zog in entspannter Atmosphäre über die Bahnhofstraße und stoppte auf Höhe des Hotels zum Rössel, wo die Polizei in einiger Entfernung zum Aufmarschort des „Frauenbündnisses“ Hamburger Gitter aufgebaut hatte. Dort stand bereits ein Stand der Gruppe „Singen gegen Rechts“ bereit.

Während der Großteil der DemonstrantInnen am Kundgebungsplatz blieb, drang eine kleinere Gruppe von einer anderen Stelle in der Hauptstraße unmittelbar bis zu den Hamburger Gittern vor dem Aufmarschort des „Frauenbündnisses“ vor. Die Polizei hatte mit diesem Manöver offenbar nicht gerechnet.

Rechte Kundgebung versinkt im Protest

Mit Tröten und Trillerpfeifen machte die schnell wachsende Menge der Nazi-GegnerInnen so großen Lärm, dass die Worte von Marco Kurz allenfalls in seiner unmittelbaren Umgebung zu verstehen waren.

Die Polizei rief in Durchsagen dreimal dazu auf, die Kundgebung nicht zu stören, und drohte, sie werde die Protestierenden zurückdrängen. Es blieb jedoch bei der Ankündigung. Kurz unterbrach die rechte Kundgebung mehrfach wegen des Lärms. Nach 18 Uhr formierten sich ihre TeilnehmerInnen zu einem Demozug durch das Kandeler Wohngebiet. Unterwegs stießen sie immer wieder auf protestierende Anwohner und Plakate – so etwa auf eine Gruppe „Omas gegen Rechts“ oder einen Mann, der mit der Bohrmaschine Betonsteine zertrümmerte und so starken Lärm erzeugte.

In Hutbürger-Manier gegen Pressevertreter

Rechte Provokation gegen Pressevertreter

Während und nach der rechten Demonstration wurden Journalisten der Beobachter News zwei Mal an ihrer Arbeit gehindert. Im ersten Fall kam ein Teilnehmer am Rand des rechten Aufmarsches gezielt auf einen unserer Fotografen zu und hielt ihm mit den Worten „aber dann fotografiere ich auch“ die Handykamera direkt vors Gesicht.

Derweil begannen Gleichgesinnte damit, unser Team als „Lügenpresse“ zu beleidigen. Die Polizei ging dazwischen und brachte den Mann zurück zu der rechten Kundgebung. Allerdings forderte ein Beamter unseren Fotografen dazu auf, seine Arbeit nun ebenfalls einzustellen, wofür es keinerlei Rechtsgrundlage gibt.

Polizei will Aufnahmen verhindern

Kurze Zeit später wollte ein Beamter unseren Fotografen auf dem Weg zum Bahnhof daran hindern, eine Festnahme zu dokumentieren. Als Begründung führte der Polizist das Kunsturheberrechtsgesetz an. Es verbietet, ohne Zustimmung Porträts zu veröffentlichen, sofern der Abgebildete keine Person der Zeitgeschichte ist. Auffallend war, dass der Beamte seine Kennzeichnungsnummer nicht vorschriftsmäßig trug (siehe Foto unten). Ein Umstand, der bei Polizeieinsätzen in Kandel immer wieder beobachtet werden kann.

Das Fotografieren selbst ist Pressevertretern – anders als Privatleuten – jedoch trotz Datenschutzgrundverordnung im öffentlichen Raum auch weiterhin erlaubt, wovon sich der Beamte schließlich auch überzeugen ließ. Wenn die Polizei ihre Einsatzkräfte über die aktuelle Rechtslage aufklären würde, worum auch schon die Journalistenorganisationen gebeten haben, ließen sich solche Konflikte vermeiden.

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Erinnern, damit es sich nicht wiederholt

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Erinnern, damit es sich nicht wiederholt

Kundgebung am Platz der ehemaligen Cannstatter Synagoge – Archivbild

Stuttgart/Bad Cannstatt. Das Bündnis zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht in Cannstatt lädt zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages der Pogromnacht 1938 ein. Die Kundgebung am Platz der ehemaligen Cannstatter Synagoge (König-Karl-Straße 45/47) beginnt am Freitag, 9. November, um 18 Uhr. Im Anschluss an die Kundgebung findet um 19 Uhr im Verwaltungsgebäude des Bezirksrathauses Bad Cannstatt, Am Marktplatz 10, eine Film- und Vortragsveranstaltung mit dem Titel „Peter Gingold – jüdischer und kommunistischer Widerstandskämpfer in der Résistance“ statt.

Vor 80 Jahren am 9. November 1938 standen in ganz Deutschland die Synagogen in Flammen. Sie wurden in Brand gesetzt von Truppen der SA und der SS, organisiert vom Parteiapparat der NSDAP und abgesichert von Polizei und Feuerwehr. Jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert, Zehntausende verhaftet, dutzende jüdische Menschen wurden umgebracht. Die Pogromnacht stellte eine Zäsur dar, die faschistische Diktatur ging nun zum offenen Terror gegen Juden und Jüdinnen über.

Archivbild

Um daran zu erinnern und um zu verhindern, dass sich eine vergleichbare Politik wiederholen kann, führt das „Bündnis zum Gedenken an die Pogromnacht in Cannstatt“ dieses Jahr zum 9. Mal eine Gedenkveranstaltung durch. Musikalisch umrahmt wird das Programm von den Künstlern und Künstlerinnen des „Freien Chor Stuttgart“ mit jüdischen und antifaschistischen Liedern.

Die Gedenkreden halten:

· Ulrich Kadelbach (evangelischer Pfarrer i.R.): Er wird auf die Rolle der christlichen Kirchen während der Naziherrschaft eingehen.

· Silvia Gingold (Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers Peter Gingold, der in der französischen Resistance gegen die Nazis kämpfte): Sie wird über das antifaschistische Wirken Ihrer Eltern – auch in der Bundesrepublik – berichten.

Einen weiteren Beitrag hält eine Vertreterin des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) mit dem Schwerpunkt auf den aktuellen Aktivitäten von rechtspopulistischen und rechtsradikalen Gruppen, Parteien und Strukturen in der Region Stuttgart.

Moderiert wird die Gedenkveranstaltung von Joe Bauer, Journalist aus Stuttgart. Er wird unter anderem über das Schicksal von Fritz Elsas berichten.

Peter Gingold – jüdischer und kommunistischer Widerstandskämpfer in der Résistance

1933 wurde Peter Gingold von den Nazis verhaftet und aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Gingold ging nach Frankreich und arbeitete dort im antifaschistischen Widerstand. Dort lernte er seine spätere Frau Ettie Stein-Haller kennen. Während des Krieges verhaftete die Gestapo den Résistance-Kämpfer. Doch Gingold gelang die Flucht. Er kämpfte daraufhin weiter gegen die Faschisten – und überlebte. Im August 1945 kehrte er nach Frankfurt zurück. Bis zu seinem Tode trat er als Zeitzeuge bei zahlreichen Veranstaltungen auf.

Filmvorführung: Zeit für Zeugen – eine Hommage an Ettie und Peter Gingold

Lesung: Silvia Gingold liest aus dem Buch ihres Vaters „Paris – Boulevard St. Martin No. 11: Ein jüdischer Antifaschist und Kommunist in der Résistance und der Bundesrepublik“. Anschließend wird sie von ihrem antifaschistischen Engagement in Deutschland berichten.


Wir dokumentieren nachstehend den Aufruf des Veranstalters:

„Vor 80 Jahren, am Abend des 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland tausende Synagogen, jüdische Wohnungen und Geschäfte, angezündet nicht vom wütenden Mob, sondern vorbereitet und organisiert von NSDAP, SA und Behörden des faschistischen Staates, dem die Macht 1933 übertragen wurde.

Am nächsten Tag wurden in ganz Deutschland jüdische Geschäfte geplündert, zehntausende jüdische Menschen verhaftet, hunderte ermordet. Der Terror gegen jüdische BürgerInnen fand damit einen ersten Höhepunkt. Sie wurden ihres Besitzes beraubt, zur Auswanderung gezwungen, in den Selbstmord getrieben, in Konzentrationslager verschleppt und letztendlich in den Gaskammern ermordet.

Die Synagoge in Cannstatt wurde vom Leiter der Brandwache, zwei Feuerwehrleuten und einigen Nazis angezündet. Fast alle männlichen Stuttgarter Juden zwischen 18 und 65 Jahren wurden verhaftet und kamen ins Gestapo-Gefängnis Welzheim, aber auch ins KZ Dachau.

Nach der Pogromnacht wurden weitere Gewaltmaßnahmen gegen JüdInnen umgesetzt. Mit der „Judenvermögensabgabe“ ließ sich das Deutsche Reich von den jüdischen Opfern das Verbrechen der „Reichskristallnacht“ bezahlen. Hermann Göring erließ die Verordnungen „zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ sowie „über den Einsatz des jüdischen Vermögens“. Die Großbanken finanzierten die zu erwartende Milliarde Reichsmark vor, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Deutschen Reiches durch Rüstungskredite abzuwenden.

Die Reichspogromnacht war der letzte Startschuss für die Brutalisierung und Enthemmung breiter Bevölkerungsschichten zur Vorbereitung des faschistischen Raubkrieges.

6 Millionen JüdInnen fielen letztlich der Shoa zum Opfer, schätzungsweise mehr als 250.000 Sinti und Roma in Europa wurden im Zuge des Rassenwahns gedemütigt, ab 1940 in den Konzentrationslagern interniert und umgebracht. Unzählige KommunistInnen, SozialdemokratInnen, GewerkschafterInnen sowie andere AntifaschistInnen wurden bereits ab 1933 verfolgt und verhaftet, um frühzeitig jeglichen Widerstand zu brechen.

Damals wie heute fallen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus dort auf fruchtbaren Boden, wo Existenzängste zunehmen. Auch in bisher als liberal geltenden westlichen Staaten ereignet sich jetzt Unerwartetes – Donald Trump wird Präsident der USA, die Parteienlandschaft in Frankreich und Italien wird umgewälzt, die EU gerät aus den Fugen, bis hin zum Brexit. In Deutschland sitzt mit der AfD inzwischen eine Rechtsaußenpartei mit teilweise über 20% in Landtagen und im Bundestag. Konservative übernehmen ihre faschistoiden Forderungen und machen die AfD damit bedenkenlos aus parteipolitischen Gründen gesellschaftsfähig. Eine Krise der kapitalistischen Gesellschaft ist unübersehbar.

Die Gründe für diese Entwicklungen werden selten kritisch beleuchtet: Zugunsten von Exportprofiten in Deutschland werden nicht nur Existenzen in Afrika bedroht, Arbeitslosigkeit in die benachbarten EU-Länder und die USA exportiert, sondern auch Löhne, Nachfrage und soziale Absicherung im Inland gestutzt. Armut nimmt in Deutschland zu. Wohnen wird für Viele zunehmend unbezahlbar. Stress und Angst am Arbeitsplatz werden immer mehr Alltag. Noch nicht direkt Betroffene haben zunehmend soziale Abstiegsängste. Dieses Wirtschaftsmodell kann von uns Betroffenen nur als Bedrohung wahrgenommen werden.

Um uns von den erforderlichen Auseinandersetzungen abzulenken, bauen die Herrschenden äußere und innere Feindbilder auf. Große Teile der bürgerlichen Presse springen auf den fahrenden Zug auf und heizen seine Lokomotive weiter an: Geflüchtete werden zu Verursachern aller Probleme erklärt und Moslems generell als Islamisten verdächtigt. Freiheit wird zunehmend durch vorgebliche „Sicherheit“ verdrängt. Die CSU will mit ANKER-Zentren Internierungslager schaffen. In Folge dieser Stimmungsmache werden immer wieder Geflüchtetenunterkünfte angezündet. Selbst vor Handelskrieg und Drohung mit militärischen Angriffen wird nicht zurückgeschreckt. Die Parallelen zu Entwicklungen vor 1933 sind leider beängstigend, auch wenn die Unterschiede bedacht sein wollen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Menschen gegeneinander ausgespielt und einzelne Gruppen als Sündenböcke markiert werden. Dem entgegen stellen wir unseren gemeinsamen Kampf für eine solidarische Welt.

Dieser Aufruf wird unterstützt von:

Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS); Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart; „Arbeit Zukunft“ Stuttgart; DIDF, Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart e.V.; DIE LINKE OV Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen; DIE LINKE Stuttgart; DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart; Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE-PluS im Bezirksbeirat Cannstatt; Freier Chor Stuttgart; Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Regionalgruppe Stuttgart; Friedenstreff Stuttgart Nord; Friedenstreff Cannstatt; Groll, Renate und Manfred, Gerlingen; Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.; Linksjugend [`solid] Stuttgart; Naturfreunde Radgruppe Stuttgart e. V.; Revolutionäre Aktion Stuttgart; SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial; SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) Stuttgart; ver.di Bezirk Stuttgart; VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten) Stuttgart; Verein Zukunftswerkstatt e.V. Zuffenhausen; VÖS (Vaihingen Ökologisch Sozial); Waldheim Stuttgart e.V. / Clara Zetkin Haus; Waldheim Gaisburg e.V.; Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften“


Weitere Infos unter www.pogromnachtcannstatt.wordpress.com

Vor der eigenen Haustür kehren

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Vor der eigenen Haustür kehren

Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Der Wahlausgang in Bayern kam nicht überraschend. Schon vor den ersten Hochrechnungen war am Sonntag, 14. Oktober, klar, dass Grüne und AfD – wie zwei Wochen später in Hessen – Gewinner sein würden. Den bis zu 400 Menschen auf dem Stuttgarter Schlossplatz, die dem Kundgebungsaufruf eines breiten Bündnisses gefolgt waren, kam es am Wahlabend um so mehr darauf an, Flagge gegen den Rechtsruck zu zeigen. Es gehe weniger darum, die Verhältnisse in Bayern anzugreifen, als vor der eigenen Haustür zu kehren, sagte der Kolumnist Joe Bauer.

Nach der Versammlung zogen etwa 150 AfD-Gegnerinnen in einer Spontandemonstration zum „Milaneo“. Anhänger der Partei feierten in dem Bürokomplex direkt neben dem Einkaufscenter eine Wahlparty. Dort hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel sein Wahlkreisbüro. Einsatzkräfte der Polizei begleiteten die Demonstrierenden, hielten sich jedoch zurück. Nach einer kurzen Kundgebung vor dem Bürogebäude löste sich die Versammlung auf.

Financiers der AfD-Wahlkämpfe sitzen in Degerloch

Joe Bauer …

Zuvor hatte Joe Bauer auf dem Stuttgarter Schlossplatz daran erinnert, dass es Bayern waren, die zuletzt zu Zigtausenden auf die Straßen gingen, um gegen rechte Hetze, die fatale Wohnungsnot oder das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) zu demonstrieren. „Einen ähnlichen Massenprotest müssen wir hier in Stuttgart erst mal hinkriegen“, sagte Bauer. Er zeigte zum Neuen Schloss, einem „Denkmal des Feudalismus“, in dem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Vertreter des Adels empfing.

In Degerloch, dem Stuttgarter Stadtteil mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen, sei in der Julius-Hölder-Straße der Sitz des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, der Millionen von Euro in AfD-Wahlkämpfe gesteckt habe. „Die Spender werden verheimlicht, und das ganze läuft über diese Stadt“, empörte sich Bauer. Stuttgart selbst habe trotz des Einsatzes antifaschistischer Bürgerinnen und Bürger mehr als 73 Jahre gebraucht, um in diesem Winter die ehemalige Mord- und Terrorzentrale der Gestapo, das Hotel Silber, als Lern- und Gedenkort zu eröffnen.

„Unzählige Posten im Landtag“

… in …

Bauer empfahl, „als wichtigstes Mahnmal gegen den Faschismus“ den Landtag in unmittelbarer Nähe zu begreifen: „In diesem Parlament sitzen schon heute mehr völkische Nationalisten und Nazis als Sozialdemokraten“. Die AfD-Abgeordneten Stefan Räpple und Hans Peter Stauch seien Ende August zu den „Fascho-Krawallen“ nach Chemnitz gereist und hätten danach in elektronischen Medien den Satz veröffentlicht: „Falls ich später mal gefragt werden sollte, wo ich am 27. August 2018 war, als die Stimmung in #Deutschland kippte: Ja, ich war in #Chemnitz dabei!“.

Räpple bekleide „unzählige Posten“ im Landtag – unter anderem den des „Extremismus-politischen Sprechers“ der AfD-Fraktion. „Wollte er diesem Job gerecht werden, müsste er ununterbrochen über sich selber und seine rechtsextreme Partei sprechen“, sagte Bauer. Die heutigen Nazis hätten sehr wohl aus der Geschichte gelernt. Sie kopierten die Strategien ihrer Vorbilder. Bauer verwies auf das Denunziationsportal für Schüler und Eltern, das online gegangen sei, „ehe es anständige Menschen aus dem Internetz hackten“.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier habe die Vorgänge in Chemnitz mit den Worten gerechtfertigt, wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen könne, gingen die Menschen auf die Straße und schützten sich selber – „ganz einfach“. Bauers Fazit: „Wir müssen deshalb auf die Straße, um die Menschen vor den Frohnmaiers und Räpples zu schützen.“

Rechte Vordenker mit schwäbischem Akzent

… Aktion

In Stuttgart lebe man keinesfalls auf einer Insel der Glückseligen. Aus dem Landstrich kämen „stramme Führerfiguren“ wie der AfD-Vordenker Götz Kubitschek oder der Verleger des rechten Magazins „Compact“ Jürgen Elsässer. „Solche Typen mit schwäbischem Akzent gehören zum intellektuellen Adel der radikalen Rechten“, stellte Bauer klar.

„Schaut nicht zu lang nach Bayern, nach Sachsen und auf andere braune Brennpunkte. Wir haben hier in Stuttgart genug vor der eigenen Haustür zu tun“, forderte er seine ZuhörerInnen auf, den Rechten „mit Energie, Scharfsinn und Humor ihre Grenzen aufzuzeigen, um dadurch die Grenzen zu öffnen für Menschen, die Hilfe und Zuflucht brauchen“.

„Gemeinsamer Kampf für gerechte Gesellschaft“

Die politischen Protagonisten in Bayern hätten „durch Hetze und Propaganda und Repression“ auf sich aufmerksam gemacht: Mit diesen Worten hatte eine Rednerin die Versammelten im Namen des gastgebenden Bündnisses begrüßt. Man wolle ein Zeichen gegen Rassismus, Aufrüstung und Abschottung setzen, aber auch gegen Wohnungsnot, Altersarmut und den Pflegenotstand.

„Wir wollen für ein solidarisches Miteinander auf die Straße gehen und ein Zeichen setzen für eine Gesellschaft, in der wir gemeinsam entscheiden können, wie die Ressourcen verteilt werden“, erklärte sie. Die verschiedenen Redner seien mit ihren jeweiligen Schwerpunkten „Teil eines gemeinsamen Kampfes für eine gerechte Gesellschaft.“

„Gesellschaftliches Rollback kann alle treffen“

Eine Sprecherin des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) erinnerte an die Vorfälle in Chemnitz und ihre „dreiste Verharmlosung durch Teile der politischen Akteure und Medien“. Durch den Einzug in den bayerischen Landtag erhalte die AfD nun mehr Geld und Mitarbeiter. Unter ihnen befänden sich „regelmäßig stramme Nazis“, zeige ein Blick in andere Landtage. Es handle sich um einen „Strukturaufbau für Rechte“.

Der AfD gelinge es auch ohne direkte Regierungsbeteiligung, den Diskurs in den anderen Parteien nach rechts zu verschieben. In vielen Ländern seien Polizeigesetze verschärft worden. Wie das PAG sicherten auch Ankerzentren Bayern eine Spitzenposition der Repression und verschärften die Rechtsentwicklung. Gleichzeitig zeige diese Entwicklung, dass der Rechtsruck seit Jahren auf der Gesetzesebene forciert werde und nicht erst in Chemnitz begonnen habe: „Dort zeigt er nur seine hässliche Fratze auf der Straße.“ Die Rednerin betonte, dass nicht nur Migranten unter ihm zu leiden hätten, sondern fast alle: „Auf allen Seiten des persönlichen Lebens kann es sein, dass man vom gesellschaftlichen Rollback betroffen wird.“

„Es reicht für ein vernünftiges Leben für alle“

„Die Bayernwahl steht für eine Entwicklung der Politik, die immer mehr nach Rechts abdriftet, die Rechte der Menschen einschränkt und die Wirtschaft von den Zügeln lässt“, sagte ein Sprecher des Offenen Treffens gegen Krieg und Militarisierung (OTKM) Stuttgart. So seien mit den Hartz-Reformen viele neue Möglichkeiten entstanden, Menschen auszubeuten.

„Hören wir auf, uns spalten zu lassen. Wir haben alles in der Hand, was wir brauchen, um eine neue Gesellschaft aufzubauen“, appellierte er an seine ZuhörerInnen. Genau davor hätten „die Herrschenden Angst und werden alles tun, uns weiter zu unterdrücken“. Zunächst gehe es darum zu erkennen, „dass wir gar nicht so verschieden sind“. Alle hätten das Bedürfnis nach einer „vernünftigen Wohnung, genug zu essen, sicherer Arbeit und nach ein par anderen, ziemlich grundsätzlichen Sachen“.

„Ich bin mir sicher, das wir uns einig sind, dass das jedem Menschen auf der Welt zusteht“, sagte der Redner. Die BRD sei reich genug, um allen ein vernünftiges Leben zu bieten und dazu noch den Sechs-Stunden-Tag einzuführen. Er rief zu Solidarität und dazu auf, sich zu organisieren und für eine bessere und gerechtere Zukunft auf die Straße zu gehen. .

„Rechte Hetze wird salonfähiger“

„Wir sind alle heute hier, um uns gegen den Rechtsruck aufzulehnen, der gerade in den Bayernwahlen sichtbar wird“, sagte eine Sprecherin der Roten Hilfe, einer strömungsübergreifenden Solidaritätsorganisation für Menschen, die in Zusammenhang mit ihrer politischen Betätigung juristisch unter Druck geraten.

Das Problem seien nicht einzelne Parteien wie die AfD, sondern dass sie als Stichwortgeber fungierten: „Rechte Hetze wird nicht nur salonfähiger, sondern setzt sich auch in Gesetzen und in Regierungshandeln fort.“ Ein Beispiel sei das bayerische Polizeiaufgabengesetz PAG, das unter anderem präventives Wegsperren, Kommunikationsüberwachung oder die Entnahme von DNA ermögliche.

Solidarität als Antwort

Kandel: Ein Polizeihund, der ohne Maulkorb eingesetzt wurde, verletzte einen linken Demonstranten schwer. – Foto: privat

Von solchen Verschärfungen seien besonders „migrantisch aussehende Personen“ betroffen. Schon jetzt seien sie alltäglich rassistischen Kontrollen ausgesetzt, „und Geflüchtete werden unter Generalverdacht gestellt“. Die Erfahrung zeige, dass Polizisten kaum Konsequenzen für ihr Handeln befürchten müssten: „Im Zweifel wird alles zurechtgebogen.“ Als Beispiel nannte sie den Protest gegen ein so genanntes „Frauenbündnis“ in Kandel, bei dem ein Demonstrant von einem Diensthund der Polizei mehrfach gebissen und schwer verletzt wurde (siehe Polizeihund verletzt linken Demonstranten schwer und Gefährliche Polizeihunde frei einsetzbar). Der Vorfall wird für den Diensthundeführer vermutlich folgenlos bleiben.

Das zeuge von Unverhältnismäßigkeit und immer wieder starker Repression gegen Linke einer „Repression, die auch Tote in Kauf nimmt. Das haben wir im Hambacher Forst gesehen“, sagte die Rednerin. Dort war ein Journalist tödlich verunglückt, als er einen Polizeieinsatz dokumentieren wollte und abstürzte. Das Beispiel Hambacher Forst zeige, „was der Staat bereit ist aufzufahren, um die Profite eines Unternehmens zu sichern“. Hoffnung mache, dass Zehntausende auf die Straße gingen wie etwa bei der Unteilbar-Demonstration in Berlin: „Wir beantworten rechte Hetze mit Solidarität.“

Zuletzt sprach ein Vertreter der „Revolutionären Aktion Stuttgart“ (RAS) – allerdings nicht persönlich, sondern nur per Video (siehe unten). Damit wolle man möglicher Repression entgehen, wurde erklärt.

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Die Geschichte lehrt etwas für die Zukunft

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Die Geschichte lehrt etwas für die Zukunft

Von Wolfgang Weichert – Stuttgart. Vor 80 Jahren, am Abend des 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland tausende Synagogen, jüdische Wohnungen und Geschäfte. Angezündet wurden sie nicht vom wütenden Mob, sondern vorbereitet und organisiert von Nationalsozialisten und Behörden des faschistischen Staates, dem die Macht 1933 übertragen worden war. Am Freitagabend, 9. November, hielt die „Initiative zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht“ am Platz der ehemaligen Cannstatter Synagoge zum 9. Mal eine Gedenkveranstaltung ab. Über 300 Personen nahmen an ihr teil.

Ulrich Kadelbach, ev. Pfarrer i.R.

Die Synagoge in Cannstatt wurde in der Pogromnacht vom Leiter der Brandwache, zwei Feuerwehrleuten und einigen Nazis angezündet. Fast alle männlichen Stuttgarter Juden zwischen 18 und 65 Jahren wurden verhaftet und kamen ins Gestapo-Gefängnis Welzheim, aber auch ins KZ Dachau.

Ulrich Kadelbach, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, erinnerte bei der Gedenkveranstaltung unter anderem daran, dass unter den Augen der evangelischen Martinsgemeinde zahllose jüdische Opfer zu den Bahngleisen des Nordbahnhofs geführt und von dort in Elend und Tod geschickt wurden.

Silvia Gingold, Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers Peter Gingold, erinnerte an ihre Eltern, die in Frankreich gegen die Faschisten kämpften. Silvia Gingold wird wegen ihrer antifaschistischen Arbeit vom Verfassungsschutz beobachtet. Es sprach auch ein/e VertreterIn des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS).

Der Journalist Joe Bauer moderierte die Veranstaltung. „Wir sind es, die aus der Geschichte lernen müssen – nämlich die Faschisten entschlossen und vor allem geschlossen zu bekämpfen“, erklärte er in seiner Rede. Vom Freien Chor Stuttgart gab es musikalische Beiträge mit antifaschistischen Liedern. Eine Filmvorführung und eine Lesung im Cannstatter Rathaus zu Ehren von Peter Gingold schlossen sich an.

Unterstützt wurde die Kundgebung von folgenden Organisationen:
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS); Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart; „Arbeit Zukunft“ Stuttgart; DIDF, Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart; DIE LINKE OV Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen; DIE LINKE Stuttgart; DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart; Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE-PluS im Bezirksbeirat Cannstatt; Freier Chor Stuttgart; Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Regionalgruppe Stuttgart; Friedenstreff Stuttgart Nord; Friedenstreff Cannstatt; Groll, Renate und Manfred, Gerlingen; Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber; Linksjugend [`solid] Stuttgart; Naturfreunde Radgruppe Stuttgart; Revolutionäre Aktion Stuttgart; SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial; SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) Stuttgart; ver.di Bezirk Stuttgart; VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten) Stuttgart; Verein Zukunftswerkstatt Zuffenhausen; VÖS (Vaihingen Ökologisch Sozial); Waldheim Stuttgart / Clara Zetkin Haus; Waldheim Gaisburg; Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

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Breiter Protest gegen AfD erwartet

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Breiter Protest gegen AfD erwartet

Symbolbild

Stuttgart. Mehrere antifaschistische Organisationen und Bündnisse haben zum Protest gegen einen AfD-Aufmarsch in Stuttgart aufgerufen. Er ist für Samstag, 8. Dezember geplant. Zu der Demonstration unter dem Motto „Migrationspakt stoppen – Gegen die Abschaffung Deutschlands“ hat der  AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple, aufgerufen. Den Treffpunkt und die Demonstrationsroute möchte der umstrittene Politiker am Mittwoch bekannt geben.

Symbolbild

Nachdem bekannt wurde, dass die AfD zu einer Kundgebung und Demonstration in die Stuttgarter Innenstadt einlädt, formierte sich schnell Widerstand bei antifaschistischen Organisationen und Bündnissen in der Stadt. Auf Anfrage unserer Redaktion beim Pressesprecher der Landeshauptstadt Stuttgart, gab das Amt für öffentliche Ordnung bekannt: „Ja, es gibt eine Anmeldung. Wir werden in den nächsten Tagen wie üblich ein Kooperationsgespräch mit dem Anmelder führen, um die Details zu besprechen.“, so Martin Thronberens.

Bildquelle: AABS

„Alle auf die Straße! Keinen Meter den Rechtspopulisten!“, heißt es in einem Aufruf zum Protest. Aufgehängt an den UN-Diskussionen über den Migrationspakt gehe es den Rechten bei der angekündigten Kundgebung und ihrer Demonstration erneut um die Hetze gegen Geflüchtete und MigrantInnen. „Wir rufen alle zum Widerstand gegen das geplante rechtspopulistische Spektakel auf. Kommt jetzt am Samstag mit uns auf Stuttgarts Straßen und lasst uns gemeinsam den rassistischen Marsch verhindern!“, so das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS, das Uhrzeit und Treffpunkt zum Protest noch bekanntgeben will.

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